Tag 15 – Abschiede und Halbzeitpause

Wie in jeder guten Verlängerung ist die Halbzeit angelaufen, der Trainer berät seine Spieler noch einmal und es werden die letzten Auswechslungen vorgenommen. Heutiges Opfer dieser Auswechslungen ist Dennis. Nach zwei Wochen endet sein Urlaub und er muss nach Tokyo, um seinen Flug zu bekommen. Ich habe Dennis ja schon einmal zum Flughafen gebracht, aber so geknickt wegen dem Urlaubsende und dem Rückflug war er noch nie. Was haben wir auch alles erlebt: Vulkane in Sandaletten bestiegen, geheime Pfade im Wald gefunden, Vegalta angefeuert und im Schnitt rund fünfzehn bis zwanzig Kilometer am Tag gelaufen. Vereint mit der japanischen Freundlichkeit, dem Essen und der ganzen Kultur, wird Dennis etwas fehlen. O.k., besonders das Vitaminwasser, nach dem er mittlerweile fast süchtig ist, aber der Rest laut eigenen Aussagen auch. Eigentlich wollte ich ihn ja am Bahnhof Sendai verabschieden, widere Umstände zwangen mich aber, die weite Reise nach Tokyo auch zu absolvieren. In unserem ersten Hotel hatten wir es doch wirklich geschafft, meine Schuhe stehen zu lassen, weil jeder von uns beiden dachte, der andere hat sie eingepackt. Und so blieben die Schuhe mit der für Japan seltenen Größe 46 im Hotel. Erst in Hakkodate bemerkten wir den Verlust und riefen sofort das Hotel an. Dort verstand man nur die Hälfte, aber ein armer Japaner auf der Straße, welcher meinte, er könne ein wenig Englisch, wurde kurzerhand gezwungen, den Anruf zu vervollständigen. So warteten meine Schuhe in Tokyo auf meine Ankunft. Zum Glück eigentlich, hatte Japan doch schon zwei paar meiner Schuhe das Leben gekostet und ein drittes Paar mit sehr abgenutzten Sohlen hinterlassen.

Eine Shinkansenfahrt ist aber zum Glück entspannt und innerhalb relativ kurzer Zeit waren wir in Tokyo, hatten die Schuhe und noch einige andere Sachen absolviert und konnten Dennis in seinen Zug setzen. Zum Abschied erhielt er noch ein Zugbento von mir geschenkt. Zugbentos sind lokale Spezialitäten, welche im Shinkansen verkauft werden und eine allgemeine Empfehlung für Reisende sind. Nicht ohne Grund sind sie immer viel zu schnell ausverkauft und teilweise nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erhalten. So war der Abschied gekommen. Schweren Herzens stieg Dennis zu seinem Zug im Bahnhof Tokyo herab, während ich zu meinem Shinkansen rennen musste. Sein Gesicht sagte auf jeden Fall, dass Japan nicht das letzte Mal von Dennis gehört hat und ich hoffe es auch. Japan ist ein zu schönes Land, als es nicht erneut zu bereisen und gesehen haben wir auch bei weitem nicht alles. Die Frage ist nur, wie das aussehen soll, falls er mal mit einer Familie nach Japan reist. ?Schatz, zeig mir mal, wo man hier gut Shoppen kann! ? Da drüben im Hundert Yen Store und ansonsten kann ich dir noch sehr schöne Berge zeigen.??.

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Nach dem Abschied ging es für mich mit dem Shinkansen nach Sendai. Orsolya wartete dort schon mit meinem alten Kumpel Andre. Andre, ein alter Mitstudent, welcher aus Berlin stammt, hatte vor ziemlich genau zwei Jahren Sendai verlassen müssen. In den zwei Jahren hatten wir es nie geschafft, auch nur mal ein Treffen zu veranstalten. Frei nach dem Motto ?200 km sind viel zu wenig, da treffen wir uns lieber in 10.000 km? kam nun die Situation, dass wir gleichzeitig vor Ort sind und beide Urlaub machen. Andre ist mittlerweile mit Yuri zusammen. Sie ist eine Bekannte von mir (Musikerin). Da hat Group Mori vor zwei Jahren vollen Erfolg gehabt. Group Mori und Frau Omori besonders, sind eine Rentnergruppe, welche sich um die Ausländer Sendais kümmern. Frau Omori lädt dazu Ausländer gerne in ihre Wohnung ein und ist auch besonders fleißig beim Kuppeln. Vor zwei Jahren hat sie das ebenfalls mit Andre, Yuri, mir und einer weiteren Japanerin versucht und bei fünfzig Prozent der Gruppe Erfolg gehabt. So ging es in ein Restaurant, wo wir zu acht saßen und uns an alte Zeiten erinnerten. Etwas schade war, dass Andre und ich kaum Zeit zum Sprechen hatten, was angesichts der Sache, dass ein Treffen in Deutschland theoretisch einfach sein sollte, nicht weiter verwunderte. Anstelle der angestrebten vier Stunden Treffen wurde es dementsprechend noch sehr lustig. Besonderes Highlight war aber Yuka. Das kleine Energiebündel ist eine bei einer Getränkefirma arbeitende 25jährige Japanerin, welche perfekt Deutsch, teilweise mit extremen deutschen Dialekten, sprechen kann. Im Rahmen von ihrer Firma erhält Yuka Tickets für ein Spiel der Rakuten Eagles, dem örtlichen Baseballverein. Rakuten ist wahrlich kein schlechtes Team und die Tickets werden nicht die schlechtesten sein, wenn ein Sponsor sie hat. Da Yuka aber an diesem Tag ein Grillfest hat, bleiben die Karten übrig und gehen an den einen sportverrückten Deutschen, den sie kennt. Mir bleibt also nur, den Termin dick im Kalender einzutragen, denn einem geschenkten Gaul, schaut man ja nicht ins Maul. Mal schauen, ob Shimizu mitkommt. Orsolya wird an dem Tag wohl schon in Ungarn im Urlaub verweilen. Wenigstens ist mittlerweile geklärt, dass ich freundlicherweise ihre Wohnung auch dann weiter nutzen darf. So wurde es ein sehr witziger Abend, bei dem aber viel Wehmut mitschwang. Es waren so viele gute Freunde da, die so vermutlich nie wieder zusammenkommen werden. Ich muss auch ehrlich sagen, ich weiß nicht, ob ich in Sendai noch einmal studieren könnte, da ich an jeder Ecke Freunde vermissen würde. Aber noch einmal nach Japan gehen, dass könnte ich mir gut vorstellen.

Hiermit beenden wir auch die erste Halbzeit der Verlängerung unter dem Motto ?Japanreise? und wechseln zur zweiten Hälfte ?Die Tage in Sendai?.

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