Tag 14 – Zuggedanken

Es regnet in Hokkaido. Um genau zu sein, scheint sich der Himmel bei dem Gedanken, dass wir diese schöne Insel im japanischen Norden verlassen werden, nicht wohlzufühlen und heult. Uns selber soll es aber recht sein, denn wir sind mit anderen Dingen beschäftigt. Aus einer spontanen Laune heraus hatten wir uns in einer Ryokan eingemietet. Räume mit Tatamimatten, Tee und Gebäck kostenlos zum Testen und Schlafen auf dem Boden standen an. Das eigentliche Highlight einer Ryokan ist aber das Essen. Wann auch immer man die Chance hat, sich in einer einzuquartieren, man sollte es mit einem Essen, Frühstück oder bei entsprechendem Geldbeutel Abendbrot, abrunden. Für das Essen wird in diesem Fall nur das Beste aufgefahren. Frühstück mit japanischem Omelette, Fisch, Reis, eingelegtem Gemüse, Natto und andere japanischen Spezialitäten sind schon eine Hausnummer, an die sich der Magen erst einmal gewöhnen muss. Wer sich trotzdem bereiterklärt, das Abenteuer anzunehmen und im Zweifelsfall Dinge zu essen, die er nicht einordnen kann und teilweise auch nicht will, wird mit einem reichhaltigen und interessanten Essen belohnt. Ebenso geschah es mit unserem Frühstück. Reichhaltig und variationsreich wurde uns aufgetischt, so dass kein Wunsch offen blieb.

Nach dem Essen ging es durch den strömenden Regen zum Bahnhof. Ziel war es, im Zug in acht Stunden den Weg nach Sendai, über die Stationen Hakkodate und Aomori, zurückzulegen. Zu dieser Zugfahrt eventuell erst einmal ein Tipp: Die Züge in Japan sind fast immer ausgebucht. Aber die Reservierungen werden auch gerne wieder zurückgegeben. Aus diesem Grund brauchten wir drei Anläufe, um die Tickets für alle Zugverbindungen bis Sendai zusammenzubekommen. Nichts ist unangenehmer, als auf dem Boden eines Shinkansen zu sitzen, wissend, dass es super bequeme Stühle mit großer Beinfreiheit gibt. Trotz allem schafften wir es also, alle Tickets zu bekommen und es konnte fast losgehen, vom Regen weg. Vorher schaute ich aber noch einmal in den Souvenirladen der Stadt am Bahnhof, es könnte ja vielleicht noch irgendetwas zum Mitbringen für meine Freunde geben. Was ich aber vorfand, darauf war ich nicht vorbereitet. Ich bin ja von den Japanern vieles gewöhnt: Schokoladenbier, Mixgetränke mit den komischsten leuchtenden Farben, aber Bier in der Farbe blau und dazu weißen Schaum, hätte ich beim FCM-Fanshop erwartet, nicht aber in Japan. Das Bier musste gekauft werden. Warum man mich fragte, ob man das Bier gleich öffnen soll, erschloss sich mir aber nicht. Denn eigentlich dachte ich immer, ich sehe nicht unbedingt wie jemand aus, der um zehn Uhr morgens Bier trinken muss.

Nach diesem Kulturschock ging es in den Zug. Eine lange, aber bequeme Fahrt erwartete uns. Allerdings wollte mich Dennis einmal mit Blicken töten, da er neben einem nervigen Japaner sitzen musste, während ich eine junge 26jährige Nachbarin hatte, mit der man sich sogar gut unterhalten konnte. Endlich, kurz nach 18 Uhr, erreichte unser Zug endlich Sendai und durchdrang genau dort die letzten Regenwolken. Wir waren wieder in der ?Heimat?. Das Wetter war zwar im Vergleich zu Hokkaido viel zu warm, aber doch erscheint Sendai selbst schon für Dennis so ähnlich wie ein alter Bekannter. Nachdem wir unsere Koffer in der MafuMafu-Sprachschule abgegeben hatten und Dennis von einer neuen Mitarbeiterin erst einmal für Thomas, den alten Chef des MafuMafu, gehalten wurde, ging es noch mal in die Stadt zum Shoppen und auf Orsolya warten. Das Warten sollte sich aber lohnen. Auf der einen Seite waren wir froh, sie wiederzusehen und bei ihr unsere Koffer loswerden zu können, außerdem sollte es Sushi geben.

Sushi? Was ist daran so besonderes? Ihr esst das doch häufiger, höre ich die Stimmen schon sagen, aber es ging um ein besonderes Sushi. In einem der besten Sushi-Restaurants der Stadt steht noch ein echter Sushimeister vor einem. Um diese Erfahrung richtig zu machen baten wir Orsolya um Übersetzung, dass wir kein vorgefertigtes Set wollen. Er sollte aussuchen, was am besten zusammen passt und in einem festen Preisrahmen blieb. So bekamen wir zum ersten Mal auch Sushi, welches wir sonst nie gegessen hätten – perfekt aufeinander abgestimmt und in Frische und Geschmack unschlagbar. Selbst Orsolya, die das Restaurant erst für einen Fehler hielt, zeigte sich begeistert. Zusätzlich zum Sushi bekamen wir auch noch einen Einblick in Zubereitung und Essmethoden, so dass der Tag einen sehr lohnenden Ausgang hatte. Wer immer die Gelegenheit hat, eine echte Sushibar zu besuchen, sollte dies tun. Setzt euch nur ein Preislimit, welches auch ruhig mal höher sein darf und dann einfach alles probieren. Sachen wie zerquetschter Seeigel sind zwar nicht jedermanns Ding, wer aber mit offenen Augen und etwas Selbstvertrauen an die Sache herangeht, wird es nicht bereuen. Das Sushi war auf jeden Fall der perfekte Abschluss für Dennis Restaurantbesuche in diesem Jahr, da er ja morgen nach Hause fliegen ?will?.

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