Wer braucht schon Verkehrsregeln? Diese Frage kann wohl jeder Göttinger Student mit „wir nicht“ beantworten. Dass es aber hier in Sendai noch viel schlimmer ist, hätte ich nicht gedacht. Früh am Morgen fuhr ich heute zur Uni. Blöd nur, dass 90 Prozent der Ausländer und Japaner in dieser Stadt auch diese Idee hatten. Also ging es in einer großen Traube in Richtung Uni. Dabei wurden erst mal alle Verkehrsregeln außer Kraft gesetzt. Linksverkehr, Rechtsverkehr, wen stört das schon?! Ein Verkehrssystem für Fahrräder habe ich auf jeden Fall noch nicht entdeckt. Um so schöner finde ich aber die Bauarbeiter an den Baustellen, die alleine dafür abgestellt werden, den Verkehr zu lenken.
Nachdem ich irgendwie halbwegs sicher in der Uni angekommen war, ging dann auch mein erster richtiger Sprachkurs los. Die Lehrerin war sichtlich bemüht, uns ihren Stoff näherzubringen. Dabei fielen zwei Besonderheiten auf. Auf der einen Seite liebt es Frau Abe, einen schauspielerischen Touch in die Veranstaltung zu bringen. Alle Beispiele werden mit schauspielerischen Einlagen untermalt. Auf der anderen Seite fällt aber auch die japanische Rhetorik auf. Diese ist mir schon des öfteren aufgefallen und ich finde sie sehr ansprechend. Im Gegensatz zum deutschen Vortragsstil verwenden Japaner viel mehr den ganzen Körper, um bestimmte Erzählungen zu unterstreichen. Eine Herangehensweise, die Vorträge und Gespräche viel plastischer erscheinen lässt. Diese Technik sollte ich im Auge behalten und vielleicht in abgeschwächter Form mit nach Deutschland nehmen.
Allgemein ist der Kurs momentan noch sehr einfach, aber das dürfte sich in der nächsten Zeit wohl noch ändern. Bis dahin haben Andre (Deutschland), Christian (Venezuela) und ich halt noch nicht so große Probleme – das hat doch auch etwas!
Nach dem Sprachkurs ging ich dann zum Lernen ins Büro. Natürlich ging dies nicht, ohne jemandem wieder bei den Hausaufgaben zu helfen. Das wurde von meinem Betreuer mit einem süffisanten „Verdammt der Junge soll Japanisch lernen und nicht deutsche Hausaufgaben schreiben, das kann er schon.“, kommentiert. Trotzdem machte mir diese Aufgabe viel Spass: auf Deutsch unbekannte andere deutsche Wörter zu erklären. Weiterhin kam heraus, dass sich Kaori durchgesetzt hat. Sie wird wirklich meine Tutorin. Als Reaktion darauf, hat sie für morgen auch gleich erst mal ein dreistündigesTreffen anberaumt. Was sie in dieser Zeit machen will, erschließt sich mir zwar noch nicht wirklich, aber das soll kein Problem darstellen. Ich befürchte, momentan sieht sie sich noch hauptsächlich als eine andere Form von Lehrerin. Dass ich aber auch noch forschen will, scheint sie dabei außer acht zu lassen. Mein Betreuer meinte auf jeden Fall schon, dass ich den Sprachkursen keine so große Bedeutung beimessen soll. Wichtiger ist es, dass ich etwas sprechen kann und ich mich dann um andere Sachen kümmere, als dass ich eine 1+ schreibe. Natürlich ist mein Anspruch aber, dass ich einen möglichst gute Note erreiche.
Bei meinem anschließenden Stadtbummel stieß ich noch auf eine japanische Besonderheit, die ich den verehrten Lesern nicht vorenthalten möchte. Japan ist bekannt für seine extravagante Modegestaltung. Gothic Lolitas sind genauso wenig überraschend wie Gyarus. Auch der Einsatz von neonfarbenen Sachen in Farben wie z.B. Pink stellt hier keine Besonderheit dar. Dass der Männerrock aber hier soweit verbreitet ist, habe ich nicht erwartet. Unabhängig voneinander haben wir diese, für Europa ungewohnte, Modeerscheinung rund 20 mal gesehen. Aber wie heißt es so schön: andere Länder, andere Sitten. Und im Notfall löse ich im Sommer mit so einem Rock meine Hosengrößenprobleme (wobei: vermutlich eher nicht).
1 Kommentar
Grüß Frau Abe mal unbedingt von mir!!!
Was die gute Kaori in den drei Stunden wohl vorhat??? *zwinkerzwinker*