Tag 9 – Von Quasi-Nationalparks und Meeresgetier

Hafenstädte haben für jeden Reisenden einen gewissen Bonus. Zum einen ist das natürlich die Lage am Meer, nichts ist entspannender als am Meer entlangzuwandern. Zum anderen sind das die Fischmärkte. Als Inlandsbewohner, welcher zwar die Elbe als Fluss in der Nähe hat, ist dieser Umstand für mich doch immer wieder etwas Besonderes. Dies gilt besonders, wenn man sich in einem Land befindet, in welchem exotische Meerestiere verspeist werden, die ein normaler Europäer wohl noch nie gesehen hat. Heute früh war es aus diesem Grund an der Zeit, in Hakodate den Fischmarkt aufzusuchen. Das war ein sehr lohnendes Unterfangen. Überall sah man die seltsamsten Tiere und wirklich rohen Fisch. Zusätzlich gab es mancherorts noch Kostproben, so dass Dennis von sich behaupten kann, Hummer zum Frühstück gehabt zu haben. Gut, es war zwar nur ein kleines Stück, aber die Tatsache zählt – wir machen halt edel Urlaub. Natürlich machen große Ausländer auch immer Eindruck. Bemerkbar wurde dies durch die Vielzahl an Händlern, welche uns ansprachen. Wir erwarteten ja viel, aber als einer dieser Händler uns auf Deutsch ansprach, zuckten wir doch kurzzeitig zusammen. Er merkte zwar schnell, dass wir nicht für seine Krabben und die anderen Getiere zu haben sind. Er erklärte uns, dass sein Stand ein Restaurant beliefert, welches daher immer frischen Fisch hat. Wenn wir Hunger hätten, sollen wir es doch besuchen. So etwas lassen wir uns ja nicht zweimal sagen.

Bevor es soweit kommen konnte, ging es aber erst einmal zu einem Nationalpark in der Nähe von Hokkaido, dem ?quasi? Nationalpark Onuma. Wieso es sich um einen Quasi-Nationalpark handelt, blieb uns zwar ein Rätsel, könnte aber an der starken Bebauung der Region liegen. Auf jeden Fall handelt es sich um ein Gebiet um einen großen See, umgeben von Gebirgen, wobei das Symbol des Parks ein Vulkan ist. Japaner, die nach Onuma fahren, befahren nur den See mit einem Schiff und machen Fotos oder mieten sich ein Fahrrad für die Umrundung des Sees. Ein Fahrrad hätte uns auch gereizt, doch hätte es keines für übergroße Deutsche gegeben. Kurzerhand entschieden wir uns, dass wir kein Rad brauchen und umrundeten den See auf einem Weg von rund 15 bis 16 Kilometern zu Fuß. Die Hitze setzte uns zwar zu, aber in etwa drei Stunden schafften wir es trotz einiger längeren Fotopausen. Auf der Strecke trafen wir dabei auf keinen einzigen Wanderer und nur eine Handvoll Radfahrer. Uns fiel dabei aber auch die Schwäche des Parks ins Auge. Als Wanderer ist man gezwungen, entlang der Hauptstraße zu laufen und von dort ist nur an wenigen Punkten ein Blick auf den See möglich. Dafür ist die Straße sehr sicher, da wie vielerorts in Japan eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 bzw. 40 km/h bestand. Mein eigentliches Ziel war die Besteigung des Berges. In Anbetracht fehlender begehbarer Wege oder Beschilderungen verzichteten wir dann leider doch darauf, da man uns noch nicht einmal eine Dauer für die Besteigung nennen konnte. Im Großen und Ganzen war die Wanderung aber eine gelungene Aktion, wobei wir dank dieser Wanderung aber hier auf Hokkaido wohl keine Nationalparks mehr besuchen werden. Laut den Reiseführern handelte es sich bei Onuma um den am leichtesten zugänglichen Park, wohingegen die restlichen Parks nur per Auto wirklich erkundbar sind. Das ist ein Ärgernis, da viele Besichtigungsziele auf Hokkaido nur so zu erreichen sind. Dennis und ich planen schon, ob man bei den langsamen Geschwindigkeiten, mit denen hier gefahren wird, nicht doch das nächste Mal für ein oder zwei Wochen ein Auto leihen sollte. Das müsste eigentlich trotz Linksverkehr möglich sein. Hokkaidos Natur ist einfach zu interessant, als dass man diese Option nicht ins Auge fassen sollte. Und dieser Urlaub wird wohl nicht unser letzter im Land der aufgehenden Sonne gewesen sein, wenn nicht etwas Unplanmäßiges dazwischen kommt.

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Nach der Rückkehr vom Nationalpark waren unsere Füße eh einmal eingelaufen und wir legten in Hakodate gleich weiter los. Nach mehreren Einkäufen ging es auf Restaurantsuche. Das am Morgen vom Fischhändler genannte Restaurant widersprach unserem Trend für doch meist qualitativ gute, aber trotzdem preisgünstige Restaurants. Nach einiger Überzeugungsarbeit meinerseits ging es aber doch in dieses Restaurant hinein und eine große Meerestierplatte wurde bestellt. Da die Karte komplett nur aus Kanjis bestand und einige der draußen genannten Menüs nicht vorhanden waren, zeigten wir der Kellnerin draußen unser gewünschtes Essen. Das war der mürrischen Kellnerin aber nicht wirklich recht. Sie teilte ihren Unmut jedem Kellner auf dem Weg mit, dass sie zwei Ausländer an der Backe hat, welche kein Japanisch können. Kurzerhand wurde eine Kollegin angestellt, welche uns bedienen sollte, da sie etwas Englisch konnte. Umso größer war ihre Überraschung, als wir ihr Japanisch verstanden und sogar mit ihr sprachen. Sie und eine andere Kollegin waren das komplette Gegenteil zur ersten Kellnerin, deren mürrische Art ich das erste Mal hierzulande erlebt habe. Das Essen war auf jeden Fall aber die Mühe wert. In einem Topf wurden die Lebensmittel direkt an unserem Platz gekocht und mit einer Soße vermischt. Es schmeckte sogar mir nicht schlecht und Dennis war auch begeistert. Es stimmt einfach – wenn man irgendwo ist, sollte man den kulinarischen Gepflogenheiten der dortigen Küche folgen.

Eine weitere Überraschung erreichte mich heute Abend, als Dennis und ich gerade ins Hotel kamen. Orsolya meldete sich aus dem MafuMafu. Zum einen war mein altes Stammcafe heute und die nächsten Tage mal wieder geöffnet, nachdem es wochenlang zu war. Und zum anderen hat sie mit meinem alten Kumpel Yusuke ausgemacht, dass ich, wenn ich Lust habe, mit zu einem Camp für japanische Kinder kommen soll. In diesem Camp soll den Kindern Englisch beigebracht werden und deshalb sollen die ausländischen Begleiter nur Englisch mit ihnen reden. Das wird mir ja nicht schwerfallen. Einzig einer gewissen Lehrerin in Magdeburg wird in diesem Moment ein gewaltiger Schauer über den Rücken fahren. Frau Schmidt hätte vor mittlerweile knapp sechs Jahren wohl auch nicht gedacht, dass ich einmal Kindern Englisch beibringe. Meine Pläne sahen zwar eigentlich anders aus. Aber ich könnte in Sendai eh nicht täglich alte Freunde treffen, nachdem Dennis weg ist, da diese ja zur Uni müssen und viele nicht mehr da sind. Im Kenkyshitsu sitzen auch nur noch drei bis vier alte Gesichter, so dass ein Camp mit Kindern und Yusuke und Orsolya nur lustig werden kann. Zudem sind es nur zwei Tage und eine Übernachtung. Mal schauen, ich halte die geneigten Leser auf jeden Fall auf dem Laufenden.

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