Manchmal ist es schlecht, wenn man der Meinung ist, dass man Abschiedsgeschenke an andere Leute verteilen muss. So geschah es, dass ich vor zwei Monaten, als Carmen Japan nach ihren drei Monaten Aufenthalt verließ, ihr zum Abschied eine DVD überließ. An sich kein Problem, die meisten DVDs, die ich mir hierzulande gekauft habe, waren eh nur dazu gedacht, um langweilige Abende zu überbrücken. Aber in diesem Fall handelte es sich um einen Film, den ich wirklich gut fand und der unbedingt mit nach Deutschland soll. Da ich ihn aber für 2 Euro gekauft hatte, dachte ich nicht, dass eine Neubeschaffung mich auch nur vor die geringsten Probleme stellt, aber da hatte ich wohl falsch gedacht. Im Durchschnitt fünfzehn bis zwanzig Euro wollten die Läden für eine gebrauchte Version des Films haben, keine Frage, dass ich bei dieser Preisgestaltung nicht mit spiele. Doch woher den Film dann nehmen, wenn nicht stehlen? Kurzerhand meldete sich mein Geiz zu Wort und erklärte mir, dass dort, wo es einen gab, bestimmt noch mehr Versionen vorhanden sind. Kurzerhand überlegte ich mir, wo ich den Film gekauft hatte und die Erinnerung an die Fahrt zum schwimmen am Flughafen keimte in mir auf. Genau, irgendwo auf der Strecke hatte ich mir zur Belohnung die DVD geleistet, der Laden sollte doch zu finden sein. Kurzerhand wurde das Fahrrad bestiegen und die Stadt unsicher gemacht.
Was soll ich sagen? Ich sollte wirklich aufhören, mich von meinem Geiz umstimmen zu lassen, denn die Strecke wurde länger und länger. Der besagte Laden war doch tatsächlich fast am Flughafen, obwohl ich ihn gar nicht mehr als so weit entfernt in Erinnerung hatte. Na, wenigstens wurde es eine interessante Fahrt und der Laden hatte den Film wirklich noch einmal und rund 35 Kilometer für eine 10 Euro Ersparnis zurück zu legen, ist ja wohl vertretbar. Viel überraschender war aber die Reaktion des Personals des Ladens. Japaner haben eine Angewohnheit, die dem gemeinen Ausländer wirklich zu Gute kommt, sie gehen standardmäßig davon aus, dass der Ausländer kein Japanisch kann. Egal wie böse die Aussage ist, sie sprechen es im Beisein des Ausländers aus. Dieses Verhalten konnte ich schon oft genug feststellen. Egal, ob Rieko und der Hankoladenbesitzer gegenseitig die Details meines Hankos aushandeln, als ob ich gar nicht im Raum bin, oder Shimizu und Professor Morimoto in meiner Gegenwart über meine Freundschaft mit Kaori philosophieren, hier in Japan glaubt keiner, dass ich ihn verstehen kann. Genau so war es auch in diesem Book Off. Kaum hatte ich den Laden betreten, wurde ich auch ausgiebig vom Personal in Form von zwei jungen Damen gemustert. Plötzlich ging aber die Diskussion los, die wohl eigentlich nicht für meine Ohren bestimmt war. Die jüngere der beiden verfluchte, dass ihr Englisch doch so schlecht ist und gegenseitig überlegte man, wie man sich mit mir verständigen könnte. Der Grund war dann auch relativ klar. Während ich noch die DVDs begutachtete wurde meine Größe ausgewertet und dass ich blondes Haar habe – zwei Dinge, die hierzulande sehr viel Eindruck hinterlassen. Quintessenz der Diskussion der beiden Damen war, wie man mich am besten von einem Treffen überzeugen könnte. Als ich am bezahlen war, ging die Operation Gajin dann auch in vollen Zügen los. Da die ältere der beiden Mitarbeiterinnen gerade am Tresen stand, wurde schnell die jüngere geholt, die mich bedienen musste. In total atypischen Handlungen, besonders da der Einkauf in Book Off nach einem genau festgelegtem Schema abläuft, wurde mir meine Ware vorbereitet und auch ein Flirtversuch auf Japanisch gestartet. Aber alleine aufgrund meiner immer näheren Abreise, wäre ich eh nicht auf die Versuche eingegangen. Solch offensichtliches Verhalten habe ich bei Japanern aber noch nie erlebt, besonders da wenn ich es bemerke, sowieso schon die Welt untergeht. Normalerweise bemerke ich Flirtversuche immer sofort? drei Jahre später. Dass unsere Südamerikaner und Skandinavier jedes Wochenende mit einer anderen Dame auf der Piste sind, überrascht mich auf jeden Fall nicht mehr.
Die gesamte Reise war trotz des Erfolgs eines Einkaufs und des interessanten Erlebnisses, die sonst so verschlossenen Japaner bei Flirtversuchen zu erleben, trotzdem eine Schapsidee. Kaum hatte ich mich wieder auf den Sattel geschwungen, wandelte das bis dato relativ warme und leicht bedeckte Wetter sich in einen ausartenden Schneesturm. Teilweise konnte ich kaum noch mehrere Meter vor mir den Weg sehen. Auf diese Weise die 35 km zurück zu fahren, war nicht gerade angenehm. Kurzerhand, da sich eigentlich Orsolya und Victoria im MafuMafu angemeldet hatten, machte ich einem Abstecher in mein Stammcafe. Die Reaktionen sind schon lustig. Der Großteil der Kundschaft kennt mich und grüßte schon von draußen. Ein älterer Japaner nahm sich auch gleich erst mal die Zeit, mir meine Jacke vom Schnee zu befreien. Eine kurze Gesprächsrunde später bevorzugte ich aber die Heimfahrt, da der Schneesturm immer schlimmer wurde und ich doch irgendwann auch mal meine Beine hochlegen wollte. Trotzdem bleiben Erkundungsfahrten durch Sendai weiterhin eine sehr sinnvolle Sache, besonders da die meisten Ausländer leider nur die Innenstadt und sonst nichts kennen.