Wir sind mittlerweile schon im 5. Tag des neuen Jahres und die entspannte Zeit ist ab morgen wieder vorbei. Das Semester geht weiter und damit der Ernst des Lebens. Bevor es soweit ist, musste ich heute wenigstens eine meiner letzten Chancen ausnutzen, die Stadt in Ruhe zu erkunden. Aus diesem Grund ging es wirklich früh auf dem Rad los und in die einzige Richtung, die ich bisher kaum betreten habe. Zu meinem Glück ging es natürlich auch noch richtig schön steil den Berg hoch, aber so hatte ich wenigstens ein gutes Training. Wirklich, wer muss schon joggen gehen, wenn er ein Fahrad besitzt. Zum Ausgleich war die Aussicht aber nicht schlecht. Da stand ich nun, irgendwo in einer der abgelegensten Ecken der Stadt, in die sich offensichtlich, der Blicke der Schüler nach zu urteilen, kaum einmal Ausländer verirren und was passiert als erstes – ich werde erkannt. Frau Omori hat sich aus mir absolut unverständlichen Gründen natürlich exakt zur gleichen Zeit am gleichen abgelegenen Ort befunden. Wirklich, diese Stadt hat über 1 Million Einwohner und ich finde wirklich überall jemanden, der mich erkennt. Trotzdem hat sich die Strecke gelohnt, besonders da es überall, wo es bergauf geht, auch wieder bergrunter geht. Dementsprechend aufregend war der Rückweg, wo alle 2 Meter Straßenschilder bereit standen, die die Autofahrer an das Bremsen erinnern sollten, da Unfallgefahr ein großes Problem sei.
Egal, wenn ich nicht mal mehr mit meinem Rad durch die Gegend fahren kann, dann gehe ich halt ins Büro. Es fand sich auch wirklich ein Student, der die selbe Idee hatte und für mich gab es dadurch Arbeit. Ich verstehe ja persönlich, dass man als Germanist ältere Texte lesen sollte. Aber kann man nicht wenigstens den Studenten erst einmal richtig Deutsch beibringen, bevor man den Leuten Texte zu lesen gibt, die selbst für mich nur zur Hälfte zu verstehen sind? Er hatte ein Tagebuch von der Jahrhundertwende, dessen Schreiber offensichtlich ein Hobbyarzt war. Als Hobbyarzt hat er natürlich auch Behandlungsmethoden beschrieben und dafür einen Mix aus Französisch und Latein verwendet. Der Student dachte doch wirklich, ich wüsste sofort, was dort stehen würde. Als Historiker war aber natürlich sofort mein Interesse geweckt und nach langen Quervergleichen hatten wir die Lösung des Rätsels gefunden. Nur das Erklären war schwerer als gedacht, da er kaum Deutsch verstand. Wirklich, der Text war für jeden Deutschen zu schwer und jemand, der noch nicht mal die Bedeutung der Maßeinheit Teelöffel wirklich verstand, sollte das mit Sinn übersetzen. Manchmal frage ich mich wirklich, was in den Köpfen einiger Professoren hier vorgeht. Trotzdem konnte ich mich so wirklich nützlich machen und hielt eine kleine Einführung in die deutsche Medizingeschichte. Als Dank erhielt ich einige Einblicke in die japanische, soweit er etwas davon wusste. So hat sich der Aufenthalt für uns beide doch schon gelohnt.
Um noch eine andere Problematik nachzureichen: Einige meiner verehrten Leser werden sich eventuell noch an die Problematik mit meinem gewonnen Fleisch erinnern. Da mir niemand besseres einfiel, der es anständig verarbeiten kann, habe ich es kurzerhand Mayumi unter dem Versprechen geschenkt, dass sie ihre Schwester an dem Essen beteiligt. Gut, Thomas wird enttäuscht sein, schwor er doch auf die beziehungsschaffende Wirkung des Fleisches, aber so ist es garantiert in guten Händen. Es dorthin überhaupt erst einmal zu bekommen, hat sich aber als schwieriger herausgestellt, als von mir eingeplant. Eigentlich hatte ich es so bestellt, dass es am 31. hier angeliefert wird. Leider hat der Lieferdienst aber nicht geliefert und ich sollte es nun erst nächsten Freitag bekommen. Dann hätte ich es noch irgendwie Mayumi überreichen müssen. Kurzerhand hat Mayumi die letzten Tage versucht, dort anzurufen und die Adresse zu ändern. Das war ein logistischer Aufwand sondersgleichen. Sie hatte alle Daten und es stand auch drauf, dass Änderungen möglich sind aber sie haben sich trotzdem erst nach Abgleich von allen Seiten überzeugen lassen. Wenigstens bekommt es jetzt wirklich jemand, der etwas damit anfangen kann und ich habe einen Punkt weniger, den ich vor meiner Abreise verschwitzen kann.