Langsam sollte ich mir wirklich überlegen, meinen Slogan zu ändern. Irgendwie nehmen einige Leute meine Aussage, dass sie mich anrufen sollen wenn die Welt untergeht, zu wörtlich. Aus diesem Grund wurde aus meinem ultimativen Plan, einen entspannten ersten Weihnachtsfeiertagabend zu verbringen, gestern nicht so wirklich was. Kurz vor Ultimo kam eine Anfrage von Shimizu und ein Text von Rieko, der natürlich auch sehr schnell durchgeschaut werden musste. Um das Schauspiel noch zu verbessern, wartete auch noch eine Mail an Mayumi, in der ich ihr Deutsch berichtigen musste, auf mich. Nebenbei wollte ich auch noch dringend ein paar Mails verfassen. Im Großen und Ganzen kann man sich die anstehende Nachtschicht also vorstellen. Besonders Riekos Text hatte es in sich. Es handelte sich um eine mehrseitige Zusammenfassung ihrer Magisterarbeit in Deutsch, die sie für ihre deutsche Professorin schreiben muss. Eine Kontrolle ist da natürlich kein Problem, würden die Sätze wenigstens Sinn machen, taten sie leider aber nicht immer. Und mehr als einmal rätselte ich, was sie mir damit sagen wollte. Wirklich Rieko, ich muss echt mal festhalten, dass ich ein Historiker und kein Modespezialist bin! So ging meine Nacht also mit dem Umschreiben des Textes und dem Erstellen anderer Texte drauf. Um 5.30 Uhr ins Bett zu gehen, ist aber auf der anderen Seite auch nicht so weit von meinen normalen Zeiten entfernt.
Ums so schöner ist es natürlich, wenn man vergisst, das Handy auszustellen und um 9 Uhr jemand auf die Idee kommt, mir seine Anlagestrategien für mein Geld vorstellen zu wollen. Ja, Japan hat auch ein Problem mit Spamnachrichten und Anrufen, die Nacht war dadurch aber auch gelaufen. Eine Person hatte aber Mitleid mit mir und so verbrachte ich einen schönen Tag in der Innenstadt. Heute stand eigentlich eine Jahresanfangsparty des Wohnheims an. Da Rieko aber wenig Interesse daran hatte, dort bei der Organisation zu helfen, weil der Hauptorganisator wohl gewisse Napoleonkomplexe hat (halt klein und machthungrig), fragte sie mich kurzerhand, ob sie mich nicht zum Dank für die ganze Hilfe zum Essen einladen kann. So ging es in die Innenstadt. Dort kam es dann auch zu dem einzigen Negativpunkt des Tages. Thomas muss unsere Silvesterfeier absagen, da er nur noch auf dem Zahnfleisch kriecht. Zu schade, wer ihn sieht versteht aber die Problematik zu gut. Ansonsten wurde es aber ein sehr lustiger Abend. Mit einer Japanerin loszuziehen hat echt Vorteile, da sie einem doch noch mehr in den Geschäften erklären kann, was man noch nicht wusste. Gleichzeitig ist Rieko mittlerweile schon so europäisiert, dass es nicht so ist, als ob man mit einer Japanerin, sondern mit einer Deutschen loszieht. Nur Thomas muss ich noch einmal in Ruhe den Unterschied zwischen einem Essen und einem Date erklären.
Auf jeden Fall ging es erst einmal ein wenig shoppen, was bis heute nicht wirklich angenehmer geworden ist. Die Innenstadt ist immer noch viel zu überlaufen. Aber wir landeten in einem interessanten Buchladen, der wirklich eine Auswahl an Büchern hatte, die die Welt unbedingt gebraucht hat. In der Sektion der Deutschlernbücher fand sich so unter anderem die Perle ?Verhalten im Biergarten?. In diesem Werk wurde haarklein beschrieben, wie man überall in Deutschland Bier bestellen kann, welchen Alkoholgehalt es hat und die angeblich drei besten Vertreter der jeweiligen Unterart vorgestellt. Die Bremer unter uns hätten wegen der Abstinenz von Becks aber Protest eingelegt, wobei der zweite Hauptsponsor des FCM auch fehlte. Ich glaube, das Buch bekommt Shimizu zum Abschied. Was braucht man sonst, bevor man Deutschland bereist? Ein anderes Highlight stellte wohl das englische Buch ?Wie date ich einen Japaner? I und II? dar. In diesem Machwerk wurde aufs Kleinste beschrieben, welche Flirtphrasen wichtig sind und wie ich einen etwaigen Partner später wieder loswerde. Vermutlich hätte ich mir das Buch mal bei meiner Ankunft zu Gemüte führen sollen. Zum Abschluss des Tages ging es dann in ein Gemüserestaurant, das heute sogar ?All you can eat? angeboten hat. Ein großer Fehler, wenn ein Europäer in der Nähe ist, wie sie auch schnell feststellten und deshalb die Vorräte an einigen der bei mir beliebten Speisen ziemlich langsam wieder auffüllten. Es war aber ein sehr gutes Restaurant, auch wenn sie Rieko beleidigt haben. Ihre Teller blieben allesamt die gesamte Zeit über stehen, während beim Ausländer alle 5 Minuten ein Teller zur Seite geräumt wurde, dass er auch anständig essen kann. Man konnte wirklich eine unterschiedliche Behandlung von uns beiden feststellen. Auf jeden Fall war es ein klasse Tag. Meine Nachtschicht hat sich also wirklich gelohnt, auch wenn ich jetzt heraus bekommen muss, wie ich mich Silvester am besten beschäftige, aber das wird schon.