Reik vs. Reisebüro

Wenn es etwas gibt, das man in einem fremden Land oft machen sollte, ist das Reisen. Leider gibt es zwei natürliche Begrenzungen für dieses Hobby, das Geld und die Zeit. Letztere hätte ich mir in den letzten Monaten wohl noch öfter nehmen können und ersteres investieren sollen, aber ohne anständige Begleitung sind die meisten Reisen leider ziemlich öde. Natürlich darf man die ganzen Reisen mit meinen Besuchern nicht außen vor lassen. Gerade mit denen habe ich viel gesehen und getan. Aber dank des begrenzten Zeitvolumens der Besucher haben sich Reisen, die die japanische Hauptinsel verlassen, nie ergeben. Unter meinen Mitstudenten gibt es aber auch nicht all zu viele Studenten, die den spontanen Reisen zugetan sind und dementsprechend musste ich mich auf die wenigen Male mit Melanie verlassen, wenn ich etwas sehen wollte. Umso mehr ärgerte mich die Tatsache, dass ich das Zelten in Hokkaido mit ihr im Sommer verpasst habe. Hokkaido ist eines der Ziele, das ich unbedingt noch erreichen will, bevor ich das Land verlasse.

Heute hat sich aber alles geändert. Im Februar ist in Sapporo auf Hokkaido ein großes Schneeskulpturenfest. Monate vorher ist das ausgebucht und stellt damit einen der kulturellen Höhepunkte in Sapporo dar. Eigentlich sollte man dafür schon 6 Monate vorher buchen, wenn man auch nur halbwegs billig dort hin kommen will. Nun ergab es sich, dass schon vor Wochen der Plan entstand, sich das Festival anzuschauen. Die Planer vergaßen das Ganze aber wieder, bis sie ein gewisser Deutscher daran erinnerte. Da Orsolya aber nun schon in die Heimat geflogen ist und David als Mitverantwortlicher keine Zeit hatte, mussten zwei gänzlich uninformierte heute den schweren Gang ins Reisebüro antreten, um noch ein Hotel zu finden. Da standen wir also – Victoria und ich – ohne nur die geringste Ahnung über den aktuellen Fortschritt der Planungen zu haben und nur mit der Information versehen, doch bitte 10 Tickets zu besorgen. Nichts leichter als das. Es ist ja zum Glück nicht so, als ob man im Internet noch all zu viele bezahlbare Doppelzimmer findet, geschweige denn 5 Doppelzimmer. Da eigentlich nur fünf Teilnehmer der Reise richtig feststehen und wir es nicht einsahen, wenn im Extremfall niemand sonst mitkommen will, unseren Kopf hin zu halten, kürzesten wir kurzerhand die Teilnehmerzahl auf 6. Und selbst diese geringe Anzahl sollte schwierig genug werden. Geschlagene 70 Minuten feilschten wir mit der anwesenden Angestellten über die Hotels. Eine unserer Anweisungen besagte zum Beispiel, einen 3-Tage-Aufenthalt zu buchen. Kein Problem, nur schlecht, dass die Fähre nur alle zwei Tage fährt, was die drei Tage verhinderte. Gleichzeitig war das einzige freie Hotel auch nur für drei Tage frei. Ein verzweifelter Kampf entstand, in dem Tage geschoben, die Reise gekürzt und verlängert wurde und im Endeffekt entschieden wurde, noch einen Tag dran zu hängen, da wir ansonsten einen Flug hätten nehmen müssen, um Sendai wieder zu erreichen. Mir war die Entscheidung auch sehr recht. 3 Tage auf Hokkaido wären mir auch zu wenig gewesen. Auf jeden Fall war es ein Kampf, da nichts wirklich so zusammen passte, wie wir uns das vorstellten. Dazu kam natürlich auch noch die Sprachbarriere, die alles noch ein wenig erschwerte. Victoria, die in Amerika schon Jahre Japanisch gelernt hatte, übersetzte und ich traf die meisten Entscheidungen. Öfter will ich solche Aktionen aber wirklich nicht machen. Was sollen wir für 4 andere entscheiden, die sich nie geäußert haben. Wir haben das ganze Projekt noch nicht mal angestoßen, aber egal, jetzt wird sich hoffentlich alles ergeben. Dementsprechend geht es in zwei Monaten nach Hokkaido. Endlich, dann fehlt jetzt nur noch Okinawa, wobei mich die Insel nicht so reizt, da es sich eigentlich nur um eine Entspannungsurlaubsinsel handelt. Man kann dort auch im Winter baden, aber dafür muss ich nicht unbedingt die teuren Reisekosten tragen. Aber im Endeffekt soll man niemals nie sagen und eventuell ergibt es sich ja doch noch.

Wenn ich nicht gerade Reisebüromitarbeiter zur Verzweiflung bringe, tue ich das Ganze natürlich noch bei einer anderen Gruppe von Menschen: meinen Mitstudenten im Büro. Ich dachte ja, jetzt wo Rieko fertig ist, wird mein Leben einfacher, aber weit gefehlt. Shimizu muss seine Bewerbung für Deutschland fertig stellen und saß heute den ganzen Tag daran. Dazu verwendete er einen japanischen Text, den er versuchte ins Deutsche zu übersetzen. Dazu ließ er ?Professor Google?, wie er es nannte, eine Vorübersetzung anfertigen, um dann im Anschluss selbst an die Übersetzung Hand anzulegen. Wirklich geholfen hat das aber bei weitem nicht. Mit dem Text, den er hatte, wäre er nicht mal in die erste Auswahl gekommen, aber wozu ist er Tutor von einem Deutschen? Kurzerhand überarbeitete ich erst einmal seine Einleitung, um ihn eine Idee zu geben, wie er den Text schreiben muss. Überarbeiten ist dabei aber eventuell das falsche Wort, neu schreiben trifft es besser. Als ich schon am ersten Satz meckern musste, wurde er gleich kreidebleich und fragte, was an seinem Namen falsch sei. Rein gar nichts, aber ein „werde ich am DAAD-Trainingssystem teilnehmen“, kann nur aus dem Übersetzungsprogramm kommen und kann einfach nicht verwendet werden. Jetzt hat er hoffentlich eine Idee, aber lange genug hat die Überarbeitung auch gedauert. Das wird mich wohl noch die nächsten Tage beschäftigen. Auf der anderen Seite war der Tag aber auch ziemlich erfolgreich für mich. Zum einen hat mein Ministollen den Wettkampf gegen einen Stollen, den die deutsche Professorin letzte Woche mitgebracht hat, klar gewonnen und auf der anderen Seite haben wir heute Bücher von einem verstorbenen Professor entsorgt und ich habe mir echte Schätze sichern können. Wie ich die nach Deutschland bekomme, ist mir zwar noch nicht ganz klar. Aber ich habe mich auch extra zurück gehalten und nicht zu viele genommen, soweit das bei perfekten Quellen um die Jahrhundertwende überhaupt möglich ist.

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