So muss der Tag losgehen! Erst kann man das tägliche Rätsel nicht lösen und dann steht man auf einmal vor dem Fahrrad und bekommt es nicht aufgeschlossen – der Tag muss doch schlecht werden. Kurzentschlossen schnappte ich mir den nächsten Bus und fuhr in die Stadt. Wirklich Zeit für etwas anderes hatte ich eh nicht mehr, da ich Mayumi gleich treffen wollte. Gerade noch in der Zeit erreichte ich den Treffpunkt und es konnte losgehen – ich lernte, wie man Mochi selber herstellt. Mochi ist auf besonderem Wege zubereiteter japanischer Klebereis. Organisiert wurde das ganze Treffen von einigen japanischen Studentinnen der örtlichen Mädchenuniversität. Ihre Herkunft konnten sie auch wirklich nicht verbergen. Alles war auf niedlich ausgerichtet und das ganze Programm war generalstabsmäßig durchgeplant. Nur mit einer Sache hatte man nicht gerechnet: Ausländer, die kein Japanisch können. Da man die ganzen Menschen in Gruppen aufgeteilt hat, lief man natürlich Gefahr, dass es zu einer ungünstigen Konstellation kommt und genau so war es auch. An meinem Tisch fanden sich eine Südafrikanerin und ein Ire ein, die überhaupt kein Wort verstanden. Dazu gab nur Japaner bei uns, die kein Englisch konnten. Ein anderer Ausländer, der schon 6 Jahre hier ist, durfte deshalb immer übersetzen. Man hatte sich aber einiges einfallen lassen. Es wurden verschiedenste Spiele gemacht, um das Eis zu brechen und dank des Übersetzers lief es auch ziemlich gut. Trotzdem merkte man den Damen die Unerfahrenheit an. Unter anderem ließen sie alle Programmpunkte im Anschluss an diesen noch einmal durch die Anwesenden kommentieren. Ein langweiliger Punkt, der absolut nicht notwendig war. Mittendrin wurden aber die Japaner an unserem Tisch durch ein Spiel getauscht und die Neuen konnten doch wirklich Englisch. Jetzt konnte es bei uns wirklich losgehen. Vor allem die eine Englischlehrerin war dabei sehr sympathisch.
Nach einigen Spielen konnte es aber endlich losgehen. Auf traditionelle Art wurde Mochi hergestellt, also mit Hammer und viel Wasser. Dabei wird der Teig erst mit dem Hammer geknetet und dann geschlagen. Das war die perfekte Aufgabe für mich. Kurzentschlossen nahm ich den 8 Kilo schweren Hammer und bearbeitete den Teig. Besonders das Schlagen war interessant, da zwischen den Schlägen eine zweite Person immer Wasser nachgießen musste. Man musste also extrem aufpassen, diese Person nicht zu treffen. Fürs Abreagieren ist das aber die perfekte Aufgabe und es machte viel Spaß. Anschließend gab es die nächste Gesprächsrunde und das gemeinsame Essen des Mochis. Es war verdammt lecker, aber leider konnte ich es kaum genießen. Die Veranstaltung dauerte länger, als von mir eingeplant und ich musste schnell zum Treffpunkt für die nächste Veranstaltung.
Was jetzt kam, war das eigentliche Highlight des Tages, auch wenn das Kochen auch sehr viel Spaß gemacht hat. Der Lions Club hatte mal wieder gerufen und ich musste eine ausländische Gesandtschaft von 4 Leuten aufstellen. Also schnell in das Hemd und die Stoffhose wechseln und auf zum Hotel. Kurzfristig bekam ich zwar graue Haare, weil nichts so klappte, wie es sollte, aber immerhin kamen wir rechtzeitig und alle beim Hotel an. Die erste Frage, die uns gestellt wurde, war: An welchem Tisch willst du sitzen? Ich entschied mich für B, wohl weißlich, dass die höchsten Tiere immer am Tisch A sitzen. Es sollte meine beste Entscheidung des Tages werden. Heute fand die Weihnachtsfeier der Lions Club Vorstandsmitglieder mit ihren Familien statt. Dementsprechend wenige Leute waren da, aber alle Tische waren voll besetzt, nur meiner nicht. Nur zwei Leute waren anzutreffen und drei folgten später. Trotzdem blieb aber ein Platz frei. Ein freier Platz, der eigentlich eingeplant war, bedeutet übrig gebliebenes Essen und das Oberhaupt der Familie erkannte richtig, dass ich ein armer Student bin und mir derartige Köstlichkeiten sonst nicht unbedingt leisten kann. Kurzerhand wurde die Kellnerin beauftragt, dem Studenten doch bitte doppelte Rationen zuzuteilen. Und was für Rationen das waren! Es gab zuerst eine Gelee-Fisch-Obst-Mischung mit einem silbrigen Metall versehen. Anschließend wurde eine Suppe mit frischem, selbst gemachten Brot serviert, gefolgt von einem gebratenen Fisch, der schon beim Anschauen zerfiel und (nach Aussage der Tischnachbarn) absolut zartes Fleisch mit Salat. Abgeschlossen wurde das Ganze mit einem Schokomousse, mit Goldblättern belegt und auf einem Früchtespiegel. Man kann gar nicht oft genug sagen, wie lecker das Ganze war. Besser habe ich in Japan wirklich noch nie gegessen, außer eventuell beim 1. Treffen des Lions Club und ob ich so gut in Deutschland schon im Restaurant gespeist habe, ist auch fraglich. Anschließend an das Essen mussten wir kurz Weihnachten in unserem Heimatland vorstellen und damit war unsere Rolle am Abend schon erledigt.
Nach der Vorstellung fing aber das eigentliche Highlight des Abends an. Vor dem Bankett wurden Bingolose verkauf, die wir Studenten uns natürlich auch zulegten. Der Unterschied war eigentlich nur, dass die Lions Club Mitglieder mehr kauften. Per Zufallsgenerator wurden nun Zahlen gezogen und derjenige, der die Zahl hatte, konnte einen Preis gewinnen. Erster Preis war ein Flug nach Hawaii für ein paar Tage und der zweite ein Onsen Besuch. Das hätte ich natürlich auch genommen. Ansonsten gab es viele Spaßtrostpreise, wie zum Beispiel als Goldbarren verpackte Taschentücher und einige Sachen, die nicht genau zuzuordnen waren. Da ich, wie mein Hauptgesprächspartner richtig feststellte, ein armer Student bin, überließ er mir von seinen fünf Losen auch gleich noch einmal zwei, nur um die Summe, nachdem die Reise weg war, auf fünf zu erhöhen. Trotzdem sah es schlecht aus und Trostpreis um Trostpreis gingen weg, ohne dass wir Ausländer etwas gewannen. Unser Glück schien uns verlassen zu haben, bis auf einmal die 46 aufleuchtete. Die Nummer hatte ich doch gerade bekommen!? Kurzerhand ging ich nach vorne und konnte mit den Preisen nichts anfangen. Woher soll ich wissen, was sich dort drinnen befindet? Zwei Umschläge lagen gesondert und waren größer. Also schnappte ich mir kurzerhand einen von diesen und schleppte ihn gleich erst einmal zu unserem Gastgeber, einem Kollegen von Thomas, der perfekt Englisch kann. Eine Übersetzung später hatten wir heraus, dass ich 400 Gramm eines sehr, sehr guten Fleisches zugeschickt bekomme. O.k., Fleisch ist jetzt nicht unbedingt das, was ich gewinnen wollte, aber was man hat, hat man. Noch in diesem Gedanken versunken verfolgte ich, wie Thomas Kollege und ein Japaner überlegten, wie man mir die Fleischart erklären kann, als eine andere mir bekannte Nummer erklang -die 42 hatte gewonnen. Schnell ging ich zu meinem Platz, wo gerade mein Nachbar für mich gehen wollte, um den nächsten Preis abzuholen. Diesmal war ich schlauer und beorderte den Kollegen nach vorne. Der übersetzte mir erst mal einiges, so dass ich die meisten Spaßtrostpreise ausschließen konnte. Wirklich gut war aber keiner der Preise und so nahm ich einen Moosschwamm, weil da drunter noch ein Briefumschlag lag. In diesem Umschlag befanden sich in Wirklichkeit Gutscheine und eine Übersetzung später hatte ich heraus, dass ich für 50 Euro in dem Edelhotel, wo das Treffen war oder in einem von 5 Restaurants essen darf. Da wird sich schon eine nette Dame finden, die mit mir geht! Später bestätigte man mir, dass ich die absoluten Hauptpreise, neben den paar Tagen Hawaii, gezogen habe. Was will ich mehr? O.k., das Motto „Glück im Spiel, Pech in der Liebe“ wird sich mal wieder bemerkbar machen, aber was solls? Das Lions Club Treffen war auf jeden Fall wieder ein Highlight und ich bin froh, dass Thomas mich immer als erstes für so etwas anruft. Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, in solchen Kreisen zu verkehren? Als Historiker vermutlich wohl nie, wenn ich nicht etwas absolut Bedeutendes ausgrabe oder doch noch Politiker werde. Den Japanern scheint es auch gefallen zu haben, denn alle verabschiedeten uns lang und breit und wie man gemerkt hat, hat sich mein Tischoberhaupt auch sehr um mich bemüht. Da bleibt nur zu sagen: Bis zum nächsten Mal (hoffentlich).