Ein Abschied mit Stil

Wie zelebriert man seinen Abschied aus Sendai richtig? Diese Frage geisterte wohl heute bei vielen ausländischen Studenten in den Köpfen herum. Schon einen Tag nach meiner Ankunft in Sendai hatte ich einen Pakistaner kennengelernt, der seinen Doktor an der Tohoku Universität absolvierte. Kazmi, so sein Name, ist ein sehr extrovertierter und offener Mensch, der alle Menschen, die er kennt, gleich zu seinen Freunden erklärt. Man könnte fast sagen, alle Menschen, die er in Facebook hat, sind seine Freude und das sind eine ganze Menge. Dieses Verhalten ist nebenbei absolut typisch für eine große Anzahl an Leuten, die hier gerade studieren. Die erste Frage, die man bei einem ersten Treffen an den Kopf geworfen bekommt, ist nicht etwa die nach dem Namen, sondern die, ob man einen Facebook Account besitzt. Kein Wunder also, dass einige frisch angemeldete nach wenigen Tagen schon 300 Menschen in ihrer Liste haben. Aber zurück zu Kazmi. Aufgrund seiner Art ist er auch auf jeder Willkommensparty dabei oder wenn irgendeine Reise organisiert wird, er ist meistens anzutreffen. Während im April die Studenten davon nicht so betroffen waren, da wir dank @home andere Kontakte hatten, stellt Kazmi für die diesjährigen Neuankömmlinge einen echten Fixpunkt dar. Das Problem an der Sache ist nur, seine fünf Jahre Doktorstudium sind vorbei und morgen heißt es für ihn, Sendai für die nächste Zeit zu verlassen. Wie begeht man so ein Ereignis nun am besten?

Natürlich mit einer Feier! Natürlich ist es undenkbar, dass dieses Ereignis mit einer ganz normalen Feier begangen werden könnte und deshalb legte sich Kazmi komplett ins Zeug. Er organisierte einen Auftritt einer afrikanischen Trommlerkombo, die nicht nur selber in ihrem Programm spielt, sondern auch den Zuschauern Trommeln zur Verfügung stellt und sie dadurch in den Auftritt einbindet. Als ob der Auftritt noch nicht genug wäre – nein, Kazmi dachte natürlich auch an seine alten Freunde und ließ sich ein ganz besonderen Leckerbissen für diese einfallen. Er organisierte eine Liveübertragung des Events per Livestream ins Internet, so dass jeder, der wollte, sich das Event anschauen konnte. Bei so einem Aufwand kommt einem natürlich als Student, der in vier Monaten auch das Land verlässt, automatisch die Frage, ob man auch auf die Idee gekommen wäre, so einen Aufwand zu betreiben, selbst wenn man fünf Jahre im Land gewesen ist? Die einstimmige Meinung der mit mir angekommenen war nein, aber trotzdem war es eine sehr lustige Veranstaltung. Die Trommler gaben alles und das Publikum hatte sichtlich Spaß. Nur als es auf einmal hieß, einen afrikanischen Tanz aufzuführen, regte sich gewisser Ungemach bei einigen der männlichen Anwesenden. Ansonsten kann man Kazmi nur gratulieren – es war ein von a bis z perfekt durchgeplantes und außergewöhnliches Event.

Zum Abschied gab es natürlich auch von uns etwas. Olga, die Kazmi in den letzten Wochen besonders in den Alltag in Sendai einführte, hatte schon vor Tagen den Plan gefasst, Kazmi kleine Briefe mit Nachrichten zu geben. Wenn das, wie von ihr geplant, aber jeder gemacht hätte, wäre das wohl bei über 100 Anwesenden doch etwas zu viel geworden. Von Katoh und mir gab es deshalb schon letzte Woche den sachten Hinweis, ob eine Fahne nicht doch besser geeignet wäre als Geschenk. Trotz kurzem Zögern entschied sie sich dafür und Katoh stellte sogar die Fahne zur Verfügung. Kazmi war absolut begeistert von der Idee, so dass er das Kästchen mit den kleinen Briefen, das Olga trotzdem noch für längere Nachrichten dazu gegeben hatte, gar nicht so wirklich für voll nahm. Nach Hinweis darauf kannte seine Freude aber kaum noch Grenzen und jeder der Anwesenden wurde von ihm persönlich nochmal umarmt und verabschiedet. So feiert man seinen Abschied auf jeden Fall mit Stil, das muss man ihm lassen!

Ich selber hätte das Event aber um ein Haar noch verpasst. Ich war in der Innenstadt, um einige Besorgungen zu machen, als ich Orsolya traf. Irgendwie kam es dadurch dann dazu, dass ich mit ihr durch die Geschäfte zog und ihr beim Einkauf half. Ich bleibe dabei, beim Einkauf mit Frauen benötigt man starke Nerven. Trotzdem wurde es in zwei Läden noch einmal sehr kurios. In dem ersten Laden handelte es sich bei dem Kuriosum um die Verkäufer. Da Orsolya sich aus der Sicht der Verkäufer nicht entscheiden konnte, gab es gleich vier Verkäufer, die sich nur um uns kümmerten. So gab es ein Handtuch mit dem Helm des Gründers der Stadt darauf. Und schon stürmte eine von ihnen los, um eine Postkarte mit den Gründer darauf zu besorgen, um uns zu erklären, wessen Helm darauf abgebildet war. Auch ansonsten musste man kein Wort sprechen. Jede Handlung führte dazu, dass einer der vier los stürmte, um eine Erklärung heranzuschaffen oder um uns Alternativen zum angefassten Stück auf den Tisch zu legen – ein interessanter Laden. Der zweite Laden dagegen war schon bei der Begrüßung sehr freundlich. Wer kennt die Zeichen an den Türen nicht, wo das Betreten des Ladens mit Essen in der Hand oder das Fotografieren verboten wird. Das Zeichen bei diesem Laden zeigte aber ein Hände haltendes Paar. Was der Besitzer den Käufern damit sagen wollte, war mir persönlich zu hoch. Im Laden selber bemühte man sich aber ziemlich um uns. Und vor allem ich, den man als Freund vermutete, wurde von der Verkäuferin immer wieder mit Details versorgt, in der Hoffnung, ich könnte Orsolya irgendwie überzeugen. Wirklich gebracht hat dieses Manöver aber nichts.

Dafür wurde mir ansonsten noch mein Spitzname verraten, den ich wohl in Sendai habe. Wir trafen eine bekannte Orsolyas, die ich noch nie in meinem Leben getroffen hatte. Sie bestand aber darauf, mich zu kennen. Als Begründung für diese Behauptung gab sie an, ich sei doch ?der Deutsche? und jeder würde den Deutschen kennen. Sehr gut zu wissen, dass ich im Alltagsgebrauch wohl einfach nur der Deutsche genannt werde. Besonders, da es mit Thomas ja noch jemanden gibt, auf den die Bezeichnung besser passen würde. Egal, was will man machen? Bin ich halt der Deutsche!

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