Schloss knacken leicht gemacht

Freitag, endlich ist das Wochenende in greifbare Nähe gerückt. Aber vorher gilt es noch, den üblichen Unialltag zu überstehen. Eigentlich war der Tag von mir als ein ganz ruhiger eingeplant, ein paar Unisachen lesen, im Büro sitzen und dann irgendwann nach Hause kommen. Meine Mitmenschen hatten da aber dann doch etwas dagegen. An erster Stelle steht für derartige Interventionen natürlich mein neuer Lieblingstutor Shimizu, wer denn auch sonst? Plötzlich stand er im Trainingsanzug vor mir und meinte, ich müsse jetzt Tennis mitspielen. Ganz tief in meinem Gedächtnis arbeitete es, ja tatsächlich vor ein paar Tagen hatte er den Plan mal angedeutet, aber mittlerweile hatte ich das erst einmal gekonnt verdrängt. Ich werde vermutlich eh nie die Liebe der Japaner für diesen Sport verstehen. Stehen in Deutschland an jeder Ecke Bolzplätze, so befinden sich in Japan dagegen in regelmäßigen Abständen irgendwelche Tennisplätze. Tennis ist hier nun mal kein besonderer Sport wie in Deutschland, wo er nur von Minderheiten betrieben wird, sondern ist ein Breitensport, der von der Spielhäufigkeit fast mit Fußball gleich auf liegt. Ursache für diese Entwicklung dürften wohl die Schulclubs sein, wo alle Schulen auch über einen Tennisverein verfügen. Da man in der Schule einem Club beitreten muss, gibt es auch genug Tennisspieler.

Meine Einwände über fehlende Sportsachen wurde genauso zur Seite gewischt, wie die Aussage, ich hätte noch zu tun und so fand ich mich kurze Zeit später auf dem Tennisplatz wieder. Dieser Zustand blieb aber nicht lange bestehen, denn plötzlich tauchte Orsolya auf. Meine Rettung, war mein erster Gedanke, aber sie kam natürlich nicht nur, um einen Kaffee zu trinken. Ihr Fahrradschlüssel war abhanden gekommen, also wurde ein Schlosser gesucht. Nichts leichter als das und schon ging es auf zum Rad. Ich muss sagen, ich werde ziemlich gut im Fahrradschloss knacken. Mit meinem Allzwecktaschenmesser, das Lars mir dankbarerweise mal überlassen hatte, dauert es mittlerweile nur noch 4 Minuten, diese Schlösser zu knacken. Viel mehr zu denken gibt mir aber die Sache, dass viele Leute sahen, was wir taten und keiner wenigstens mal fragte, was wir da tun. Man kann wirklich auf dem offenem Unigelände am helllichten Tag ein Fahrrad stehlen und keinem würde es auffallen. Nach dem Erfolg ging es wieder zurück zum Tennis. Ich muss sagen, ich bin besser in dem Sport geworden, auch wenn mir zu einem Nadal wohl viel fehlt und ich den Sport auch trotzdem nicht besser finde. Es war auf jeden Fall eine lustige Trainingsrunde.

Anschließend ging es dann noch mit Rieko in die Innenstadt. Sie wollte schon lange mal wieder hin, hatte aber keine Zeit, also gab ich ihr einen Grund zu gehen. Gemeinsam besuchten wir einiges an Geschäften und ich gab ihr in Anlehnung an ihr Magisterthema einen Ausblick auf den Unterschied zwischen japanischer und deutscher Mode. Es ist schon kurios zu sehen, wie ein Japaner für die kürzesten Röcke, die in Deutschland nur Gürtel genannt werden würden, vollkommenes Verständnis hat, aber Ausschnitte als absolut verwerflich und aufreizend ansieht. Weiterhin gibt es dann noch die Vorliebe für viele Sachen, die die Sachen ?süßer? erscheinen lassen, wie Rüschen und Schleifen. Das ist schon ein Unterschied zwischen den beiden Modestilen. Nachdem alles besorgt war, ging es noch gemeinsam eine Runde Okonomiyaki essen. Wir fanden heraus, dass der Platz sogar Studentenrabatt bot und genossen das Essen sehr. Wenn ich ein Gericht in Deutschland vermissen werde, dann ist es wohl Okonomiyaki. Nächstes mal muss ich aber besser aufpassen. Aus purer Berechnung schob sie sich vor mich und lud mich einfach zum Essen ein. Wenn ich den gleichen Plan auch gerade habe ein sehr verwerfliches Verhalten. Auf jeden Fall war es aber eine lustige Runde durch die Stadt, auch wenn ich dabei bleiben muss, einkaufen mit Frauen kann anstrengend sein. Wie man bei zwei gleich aussehenden Sachen zum Beispiel darauf bestehen kann, dass das eine tief schwarz und das andere echt schwarz darstellt und man sich dann Stunden lang nicht für einen der gleich aussehenden Töne entscheiden kann, werde ich wohl nie verstehen.

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