Machtspiele im Nachbarland

Stell dir vor, es ist Krieg und keinen interessiert es. Bekannterweise hat gestern Nordkorea es mal wieder für nötig erachtet, sich einmal mehr in der Weltpolitik in Erinnerung zu rufen. Um die südkoreanische Grenzregion zwischen Nord- und Südkorea ist seit dem Bestehen des Konfliktes zwischen beiden Staaten ein Konflikt am Laufen, wer der rechtmäßige Besitzer sei. Um einmal mehr zu beweisen, dass Nordkorea der rechtmäßige Besitzer ist, hat das nordkoreanische Militär gestern ein paar Granaten auf dem laut eigener Ansicht eigentlich nordkoreanischen Besitz getestet, so jedenfalls die offizielle nordkoreanische Lesart. Dabei sind mehrere Häuser in Brand geraten und die südkoreanische Armee wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Natürlich ist ein derartiger Zwischenfall ein gefundenes Fressen für die internationale Presse. Allerorts auf der Welt wurde die Nachricht verbreitet, dass ein Krieg zwischen den beiden Ländern jetzt unausweichlich sein würde. Natürlich kann solch ein Krieg nicht nur auf ein Land beschränkt bleiben und dementsprechend äußerten sich auch die japanischen Vertreter zu diesem Thema und erklärten, dass Japan auf alle möglichen Situationen vorbereitet sei.

Was ergibt sich nun aus dieser Kombination von Aussagen? Laut internationaler Presse gibt es Krieg und die Japaner bestätigen ihre Bereitschaft, sich notfalls zu verteidigen. Natürlich verbreitet das Unsicherheit. Genau so sah es heute bei vielen internationalen Studenten hier in Sendai aus. Sei es durch die Eltern, die in irgendeinem fremden Land von der Problematik gehört hatten oder auch durch die Realisierung der Nähe des Konfliktes. In Europa hat man zum Beispiel kaum ein Gebiet, in dem wirklich so nahe ein Krieg ausbrechen kann. Es war wirklich interessant anzusehen, wie sich einige wegen der Problematik wirklich einen riesen Kopf gemacht haben und wirklich nervös deswegen sind. Ganz anders sehen die Japaner die Problematik. Natürlich ist jedem die Nachricht zu Ohren gekommen. Mehr als ein Schulterzucken entlockt ein derartiges Ereignis den Menschen hierzulande aber schon lange nicht mehr. Wieso eigentlich auch?

Deshalb mal eine allgemeine Standortbestimmung für die daheim gebliebenen, die das Kriegswort mittlerweile in der Presse gesehen haben: Das Ereignis, das gestern die Titelseiten vieler Internetportale schmückte, ist eigentlich eine nordkoreanische Provokation, die in ähnlicher Form seit Jahren so stattfinden. Schon deshalb nimmt kaum ein Japaner diese Geschichten noch so wirklich ernst. Die japanischen Zeitungen fanden es nicht einmal nötig, mehr als eine Randnotiz im Politikteil darüber zu schreiben. Nordkorea fährt diese Schiene seit Jahren, was auch schon zu vereinzelten Scharmützeln mit den Nachbarländern wie Japan geführt hat. Man spekuliert darauf, dass entweder gar nichts passiert, da man einen Krieg mit Atombomben oder dem nordkoreanischen Bündnispartner China fürchtet oder dass zur Beendigung derartiger Angriffe Zugeständnisse der restlichen Länder gemacht werden. Sollte es aller Erwartungen zum Trotz dann doch zu einem Krieg kommen, wäre Japan mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auch betroffen. Aber die allgemeinen Vorbereitungen auf einen derartigen Ernstfall finden hierzulande schon seit Bestehen Nordkoreas statt und führen nicht zuletzt zu einem 10 Milliarden höheren Budget der japanischen Selbstverteidigungstruppen im Vergleich zur Bundeswehr. Trotzdem ist die Lage aber bei weitem nicht so schlimm, wie es in Europa und der restlichen Welt momentan aussehen mag, deshalb braucht sich eigentlich keiner wirklich Sorgen machen.

Auf der anderen Seite habe ich mich heute nicht nur mit Weltpolitik beschäftigt, auch wenn das Säbelrasseln ein gute Motivation war, sich einmal genauer mit der japanischen Außenpolitik seit dem zweiten Weltkrieg zu beschäftigen. Trotzdem blieb der Tag ziemlich ruhig. Mit Shimizu und Yokoyama verbrachte ich heute einige Zeit und wir verbesserten ein wenig ihre Deutschkenntnisse. Unter anderem besuchten wir so die Mensa. Japanische Küche kann auf jeden Fall interessant sein. Neunzig Prozent der angebotenen Sachen würde in Deutschland sowieso keinen Abnehmer finden, aber einige Sachen wären auch einfach verboten. Ein halb gekochtes Ei aufgeschlagen und auf einem Teller serviert, ist schon leicht gegen deutsche Gesundheitsbestimmungen. Dass es dann aber noch erlaubt ist, das Ei in der Auslage zu postieren, bis nach ewigen Zeiten endlich ein Kunde sich des Eies annimmt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Diese Frage ergibt sich insbesondere, weil in diesem Land der Verzehr frischen Metts nicht erlaubt ist, da das zuständige Gesundheitsamt die Gefahr der Verunreinigung des Fleisches als zu hoch einschätzt. Diese Beobachtungen lassen sich noch auf andere Lebensmittel fortsetzen. Aber egal, ich bin in Japan, dann wird so etwas natürlich auch gegessen und es schmeckt erschreckenderweise auch noch gut. Wirklich billig ist die Mensa zwar nicht, aber schmackhafter als die meisten deutschen Mensen, die ich kenne, ist sie alle Male.

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