Wer braucht Gift, wenn er Schokolade hat?

Japaner haben eindeutig einen seltsamen Geschmack. Gut, dass sie Lakritze nicht gerne essen, kann ich ja noch verkraften, da geht es einem Großteil der Europäer wohl auch nicht anders. Aber bei Schokolade so kritisch zu sein, hätte ich ihnen dann doch nicht zugetraut. Man erinnere sich: Kurze Zeit nach meiner Ankunft belehrten mich meine Mitstudenten über den Unterschied zwischen japanischer und deutscher Schokolade. Laut ihrer Ansicht würde deutsche Schokolade viel süßer sein als japanische und damit auch viel zu süß. Diese Aussage konnte ich schon damals nicht nachvollziehen, da japanische Lebensmittel oft nur so vor Zucker strotzen. Das Gegenteil konnte ich ihnen aber damals noch nicht beweisen. Nach der generösen Lieferung meiner Eltern, bin ich nun aber im Besitz von Bitterschokolade in verschiedenen Ausführungen. Die 75prozentige legte ich meinem Büro bekanntlicherweise letzte Woche schon vor und wirkliche Fans konnte sie nicht gewinnen. Kein Problem, ich habe ja noch ein paar Ideen. Dementsprechend servierte ich heute den Japanern 66prozentige Bitterschokolade mit Chili. Was soll ich sagen? Niemand wird wohl noch jemals behaupten, japanische Schokolade wäre nicht so süß wie deutsche. Schon die Tatsache, dass die Schokolade nicht süß, war verschreckte die Leute. Als dann aber noch die Schärfe dazu kam, war es ganz aus mit ihnen. Tapfer aßen sie die Stücken auf, aber ob sie in Zukunft noch etwas von mir annehmen, ist nach den Gesichtsausdrücken ziemlich fraglich. Einer meiner Kommilitoninnen musste ich sogar einen Apfel opfern, weil ihr die Schokolade viel zu scharf war. Trotzdem gab es immerhin 2 von 8 Testern, die die Schokolade mochten. Die deutschlanderfahrene Rieko mochte sie und Shimizu isst zum Glück eh alles, was ich ihm vorsetze.

Nachdem ich mein Büro vergiftet hatte, konnte es ja endlich mit dem Studium weiter gehen. Aber heute ging es nicht so lange, denn ich war mit meinem Kumpel Tetsu verabredet. Da ich zu seinem Geburtstag beschäftigt war, hatten wir uns für heute im MafuMafu verabredet und wie immer wurde es ein sehr lustiger Abend. David, ein Schwede, der 95 Prozent des gesprochenen Deutsch versteht, aber nicht selber sprechen kann, gesellte sich noch zu der illustren Runde und so verbrachte man irgendwie den ersten Teil des Abends. So wurde erst einmal der Silvesterabend geplant. Eigentlich ist Silvester ein ruhiges Fest, was man hierzulande mit der Familie feiert. Aber irgendwie ist Thomas der Überzeugung verfallen, dass wir anstelle dessen auch einfach eine Feuerzangenbowlen-Party veranstalten können. Das MafuMafu können wir als Standort ebenfalls nutzen, jetzt müssen nur noch die letzten Details geklärt werden. Nach einer Weile kam dann auf einmal eine andere Gruppe, bestehend aus einem Schweizer, einem Bayern, einem Brasilianer und einem Japaner ins Lokal. Ich muss sagen, ich bin ja gewohnt, dass ich bekannt bin, aber die Begrüßung des Schweizers hat mich dann doch etwas aus den Socken gehauen. Als er mitbekam, dass ich aus Deutschland stamme, meinte er nur so: ?Du bist dann wohl Reik?. Das war mal eine neue Begrüßung. Dass ich bekannt bin, ist klar, aber das hätte ich dann doch nicht erwartet. Ob das gut oder schlecht ist, dass er schon von mir gehört hat, konnte er dann auch nicht beantworten. Er meinte aber, dass er bis dato nur Gutes gehört hat. Die Frage ist dann aber wirklich, wer hier in meiner Abwesenheit von mir erzählt. Gut, Yosuke ist einer der Kandidaten, die in Frage kommen. Der Koch des MafuMafu ist einer meiner Lieblingsgesprächspartner dort und als letztes Wochenende David mal alleine dort hingegangen ist, war die erste Nachfrage, ob ich denn auch noch komme. Trotzdem, die beiden ?Deutschsprachigen? waren ziemlich sympathisch. Aber seien wir ehrlich, wer den 1. FC Magdeburg als Bayer kennt, kann nur sympathisch sein. Kurze Zeit später kamen dann auch noch Yuka und Alex und die große deutschsprachige Runde war komplett. Yuka ist immerhin die Japanerin, die von allen Japanern, die ich kenne, am besten Deutsch sprechen kann. So wurde der Abend zwar wieder einmal später als gedacht, aber wenigstens war es in der großen Runde doch ziemlich lustig. Einige andere Gäste fanden uns alle so interessant, dass sie sich einfach noch zu uns setzten. Die Frage, die bleibt, ist aber wirklich: Bin ich wirklich so bekannt, dass die Deutschsprachigen in Sendai automatisch von mir hören?

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