Gefangene der JR

Matsushima überraschte mich gestern doch sehr. Normalerweise gebe ich niemandem die Empfehlung, diesen Ort zu besuchen, da ich nicht selber hundert Prozent von ihm überzeugt war. Seit gestern gebe ich wenigstens den Tipp unter Vorbehalt. Hundertprozentig stehe ich zwar immer noch nicht hinter den Inselketten, aber gesehen haben muss man es dann vermutlich doch wenigstens einmal. Eine andere Touristenattraktion im näheren Umfeld würde ich aber vermutlich immer vorschlagen, den Bergtempel Yamadera. Beide Besuche, die ich bis heute vollzogen habe, bewiesen die Einmaligkeit des Ortes. Aus diesem Grund entschied ich heute, meinen Eltern den alten Bergtempel zu präsentieren.

Bevor es losgehen konnte, galt es zwar noch einige Probleme in der Uni aus der Welt zu schaffen. Dank meiner allgemeinen Bekanntheit war das aber schnell geschafft, so dass wir etwas früher losfahren konnten, als wir es eigentlich geplant hatten. Dieser Umstand sollte sich später als absoluter Glücksfall herausstellen. Bis Yamadera klappte auf der Hinfahrt aber alles noch locker. Gut, die dunklen Wolken am Himmel sahen nicht gerade verheißungsvoll aus, aber das kann uns ja nicht schocken. Also ging es die über tausend Stufen hoch zum Tempel. Der Aufstieg an sich ist aber gar nicht so beschwerlich, wenn man von den für europäische Füße viel zu kleinen Stufen absieht. Der Ausblick entschädigt aber auch für alles. Trotzdem müssen wir ziemlich geschafft ausgesehen haben, so viele japanische Rentner wollten uns beim Aufstieg per Sprüche motivieren. Yamadera ist auf jeden Fall eine Reise wert. Selbst bei dicken Wolken sieht die Natur noch beeindruckend aus und besonders die Herbstfarben kamen wunderbar zur Geltung. Unser Privatfotograf kam berechtigterweise kaum noch aus dem Fotografieren raus. Ich persönlich kann dagegen mit Fug und Recht langsam behaupten, dass Yamadera bei jeder Jahreszeit eine Reise wert ist, schließlich habe ich mittlerweile Frühling, Sommer und Herbst dort erlebt. Wirklich viele Gäste gab es aber nicht. Bis auf ein paar Rentner, hatten sich noch einige sehr junge Japanerinnen und ein Fernsehteam eingefunden, um Yamadera zu besteigen. Für uns war der Umstand aber ideal, erlaubte es doch ein ruhiges Aufsteigen, ohne drängeln und im eigenen Tempo.

Unsere Einschätzung über die Wolken sollte sich aber als goldrichtig heraus stellen. Zwar regnete es kurz mal, als wir die Spitze des Tempels erreicht hatten, aber wirklich los ging es, als wir den Tempel gerade verließen. Wir beschlossen, schnell mit dem Zug zurück zu fahren. Wer konnte auch damit rechnen, dass die japanische Bahn ebenfalls Verspätungen hat? Natürlich nie im Shinkansenbetrieb, aber im privaten kann das schon geschehen. Die Bahn nannte auch Gründe per Durchsage, doch leider war sie viel zu schnell gesprochen, als dass ich einen Sinn aus ihr entdecken konnte. Also tat ich mich mit einem koreanischen Amerikaner zusammen und gemeinsam gelang es uns, einen Sinn aus der Meldung zu finden. Aufgrund des heftigen Sturms konnte der Zug an der Anfangsstation nicht losfahren und wir mögen doch bitte warten. Wie lange sagte uns aber besser keiner. So saßen wir über eine Stunde später immer noch an den Gleisen und harrten da den Dingen, die noch kommen sollten. Weggehen war aber auch nicht möglich, konnte der Bahnmitarbeiter uns schließlich keine Zeiten nennen, so dass wir immer bei den Gleisen bleiben mussten. Nach langer Verspätungspause kam er dann doch endlich. Leider fuhr er trotz der Verspätung aber nicht durch, sondern musste mehrmals fünfzehn Minuten Pause machen, um einen anderen Zug sein Gleis nutzen zu lassen. Im Endeffekt verschwendeten wir knapp 3 Stunden für die Fahrt, die im Idealfall 45 Minuten benötigt.

Da der Tag eh fast um war, zeigte ich meinen Eltern noch kurz mein Zimmer und die Universität. Sie hatten sogar die Möglichkeit, sich mit einem Kollegen auf Deutsch zu unterhalten. Da auf dem Weg zur Uni auch ein Kaiten-Sushi liegt, machten wir dorthin noch einen kleinen Abstecher. Kaiten bedeutet Fließband und das Fließbandsushi wurde hier in Sendai erfunden. Es war ein großer Spaß, unterschiedliche Fischsorten zu probieren, die meine Gäste noch nicht kannten. Nur eine Sache verwunderte mich. Japaner sind super hygienisch, aber das fertige Sushi konnte 3 Stunden auf dem Fließband bleiben. Zum Glück ist selber bestellen auch möglich, so dass wir trotzdem immer super frisches Sushi hatten. Irgendwie ist es aber nicht mit deutschem Sushi zu vergleichen. Der Fisch und der Reis sind einfach mal um einiges besser und der Geschmack ist mit keinem Restaurant in Deutschland vergleichbar. Geschmeckt hat das Essen auf jeden Fall beiden und die wichtigsten Orte Sendais kennen sie jetzt auch, was will man mehr.

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