Feierfreitag

Es lebe das japanische Rangsystem! Heute stand ein Imoni-Kai mit dem Büro an. An sich ist das nichts besonderes. Die Studenten und einige Professoren gehen zum Fluss und essen gemeinsam selbst gemachte Suppe. Diese Tradition ist komplett auf Miyagi beschränkt und hierzulande der normale Weg, ein Wintersemester anzufangen. Genau an diesem Punkt springt aber das japanische Rangsystem ein. Erstsemester haben in Japan nicht wirklich ein Büro, sondern sind in der Lage, sich alle Teile der Philosophischen Fakultät anzuschauen und ihre Studienwünsche im zweiten Semester zu vertiefen. Genau um diese Zweitsemester geht es mir. Normalerweise würde man davon ausgehen, dass das Büro froh ist, das sich Zweitsemester für das Büro entschieden haben. Man denke nur an die UFG in Göttingen und wie verzweifelt sie versuchen, überhaupt Studenten anzulocken, in Japan sieht das Bild aber anders aus. Für die Organisation und vor allem das Kochen wurden die Zweitsemester verpflichtet. Sie stehen im Rangsystem ganz unten und müssen sich im Büro ihre Rolle erst einmal verdienen, dementsprechend sind sie traditionell für die Veranstaltung dieses Imoni-Kai verantwortlich. So geschah es auch heute. Normalerweise ist das auch der Grund, warum, laut Aussagen der deutschen Professorin, die letzten Imoni-Kais nicht so berauschend waren. Immer ging irgend etwas schief und die nächsten Zweitsemester wussten es dann auch nicht besser. Dieses Mal galt es, das zu verhindern und wir höheren Studenten sind eh zu hilfsbereit. Sofort übernahmen wir, angeführt von (wie sollte es auch anders sein) Shimizu, die Töpfe und halfen bei der Zubereitung aus. Unsere Hilfe überraschte zwar die Professoren, aber ihnen war dies lieber, als das es wie die letzten Jahre schief geht. Insgesamt war es aber ein sehr lustiger Tag. Wir trafen uns alle am Fluss, stellten zwei Lagerfeuer her und es wurde ein Nabe-Eintopf nach Sendaier und nach Yamagata-Art gemacht. Inhaltlich beschränkt sich der Unterschied der beiden Sorten auf die Suppenart. In Sendai verwendet man als Grundlage Miso, während in Yamagata eine Sojasoßensuppe hergestellt wird. Für den Geschmack war unser oberster Boss zuständig. Professor Morimoto ging von Suppe zu Suppe und ließ sich Proben geben, um dann zu entscheiden, welche Zutaten noch fehlen. An dem eigentlichen Kochvorgang dagegen waren wir alle beteiligt. Keiner wollte sich sagen lassen, dass wir ein paar Zweitsemester bei so etwas alleine gelassen haben, wobei wir noch zwei Studenten abstellten, die sich um die 3-jährige Tochter eines Professors kümmerten. Es wurde ein sehr lustiger Tag mit vielen Gesprächen und die Suppen schmeckten auch noch gut, was will man mehr? Anschließend ging es noch ins Büro, wo noch einmal die heimlichen Alkoholreserven der Studenten ans Tageslicht kamen. Aber zu dem Zeitpunkt musste ich mich dann doch verabschieden, für morgen musste schließlich das Fleisch noch besorgt werden.

5 Kilo Fleisch sollten es für das Gulasch am Sonntag sein und da ich beim Gemüseeinkauf wegen des Imoni-Kais schon nicht dabei sein konnte, stand ich auf einmal beim Fleischer mit in vorderster Front. Nur für alle, die es nicht glauben, wie teuer Sendai und Japan sein kann: Für die 5 Kilo bezahlten wir locker erst einmal knapp 230 Euro und dabei hatten wir schon einige Rabatte. Wir hätten das Ganze eventuell noch zwanzig Euro billiger im Supermarkt kaufen können, das Fleisch hätte darunter aber stark gelitten. Der Händler war aber auch wirklich gut. Das Fleisch ist top, soweit ich das als Vegetarier beurteilen kann und zu dem schon gegebenen Rabatt von einem Euro auf alle 100 Gramm hat er uns noch einmal 5 Euro erlassen, weil wir das Kleingeld nicht schnell genug auf den Tisch gelegt haben. Morgen geht es dann mit dem großen Kochen los. Vorher musste aber mal wieder gefeiert werden, hatte ich ja heute noch nicht. In meiner Wohneinheit stand eine Semesteranfangsfeier an.

Mit Nobu und Abe ging es zum Einkaufen und insgesamt beehrten uns zwölf Leute. Unter anderem wurde Orsolya noch eingeladen und einige Koreaner. Diesen Koreanern war auch der Großteil der Unterhaltung des Abends zu verdanken. Kim, mein koreanischer Mitbewohner, hat sich in den letzten Tagen als Playboy und wie die Japaner sagen, Hentai (Perverser) herausgestellt. Also rechtfertigte er seine Liebesgeschichten und gab seine besten Aufreißtricks zum Besten. Zwar auf Japanisch, aber man verstand genug, es war zum brüllen. Manchmal hatte man das Gefühl, an ihm wäre ein Stand-Up-Comedian verloren gegangen. Einziger Wermutstropfen war eigentlich, dass am Dienstag überraschend einer unserer Mitbewohner ausgezogen ist, weil er familiäre Probleme hatte, ansonsten war der Abend genial. Es wurde viel gelacht, getrunken und Süßkram verdrückt. Wir sollten eindeutig mehr zusammen feiern. Gleichzeitig war es ein gutes Zeichen, wie viel ich doch von den Konversationen auf Japanisch verstand. Wenn jetzt noch das Sprechen besser wird, wäre ich auf einem wirklich guten Weg.

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