Das Gajin-Ungeheuer

Endlich schaffen wir es, das Weltbild der Japaner über Deutsche zu erschüttern! Heute habe ich das erste Mal den neuen Vertreter Göttingens und den Nachfolger von Moritz aus Karlsruhe kennengelernt. Zusammen zogen wir los und einige Kollegen sahen uns. Die erste, natürlich absolut berechtigte Frage lautete, haben alle Deutschen lange Haare? Nur weil der Karlsruher Alex Dreadlocks hat und mein Nachfolger ebenso lange Haare hat wie ich. Offensichtlich waren wir auf jeden Fall etwas auffälliger. Interessanterweise entsprechen wir damit eigentlich eher dem japanischen Bild des Bösewichtes. Helden haben nur im Ausnahmefall lange Haare, deren Farbe dann aber auch immer schwarz ist. Die Bösewichte besonders haben dagegen in 90 Prozent der Fälle lange blonde oder teilweise auch schwarze Haare. Dabei ist das ziemlich unrealistisch. Japaner haben zwar längeres Haar als die Durchschnittsdeutschen, aber meist doch nur schulterlang. Aus diesem Grund fiel unsere Dreiergruppe auch so ins Auge.

Wobei, die anderen benötige ich zum auffällig sein gar nicht. Nach einem Japanisch-Test und einigen Stunden in der Uni ging es für mich mit dem Rad etwas hinaus zum Stressabbau. Im Endeffekt landete ich im Norden der Stadt und wenn ich schon mal da bin, kann man ja den Tageseinkauf gleich erledigen. Also ging es in einen Supermarkt, wo gerade besonders gehäuft Mütter mit Kindern ihr Unwesen trieben. Etwas schlimmeres als ich hätte ihnen nicht passieren können, fast alle Kinder starten mich erst mal mit groß aufgerissenen Augen an. Besonderen Gefallen hatte ein kleines Mädchen genommen, das einfach still stand und sich nicht bewegte. Die Mutter hatte offensichtlich Angst davor, dass ich die Fähigkeiten einer Basilisk hätte und auf den ersten Blick versteinern könnte. Dementsprechend kam sie auf ihr Kind zugerannt, hob es hoch und drehte es schnell weg von dem im Gang stehenden Ungeheuer. Man merkte wieder, dass Japaner gerne Personen anstarren. Soweit es aber zu offensichtlich und auffällig ist, ist es ihnen doch peinlich.

Egal, kleine Rückschläge treffen mich nicht und es ist eh ein Abendessen mit Olga angesetzt. Also ging es mit dem Rad zurück und das Kochen konnte beginnen, fast jedenfalls. Meine Küche war von einer koreanischen Party besetzt, nicht gut fürs Kochen. Besonders seltsam mutete es an, als ich die Küche betrat. Vier Damenaugenpaare starten mich an, was ich denn bitte in der Küche mache. Hätten nicht meine Sachen im Schrank gestanden, ich hätte wirklich an der Etage gezweifelt. Unter solchen Umständen kann ich nicht kochen, also ging es zu Olga. Keine gute Idee. Gerade hatte ich den Gedanken an das Ungeheuerdasein erfolgreich verdrängt, schon erinnerten mich Olgas Mitbewohner unsanft daran. Wie kann es sein, dass alle Mitbewohner nach meinem Erscheinen die Küche verlassen? Nur um eine Minute nach meinem Verlassen erschienen sie wieder, als ob nichts geschehen ist. Da lobe ich mir Nobu und die anderen, das sind wenigstens richtige Mitbewohner. Bis auf eventuell Kim, wobei ich dem einfach nur nicht den heutigen Abend vergesse. Erst wurde ich dreißig Minuten von einer Koreanerin interviewt, ohne das Interviewthema zu kennen. Dann versuchte er, mich doch wahrhaftig mit einer von zwei Japanerinnen oder einer von zwei Koreanerinnen zu verkuppeln. Nett gemeint, aber doch nicht ganz mein Vorgehen. Mit der Zeit wurde es mir zu viel und ich floh erfolgreich aus der Wohnung. Etwas Ruhe schadet auch manchmal nicht, trotzdem war es eine sehr lustige Feier der Koreaner, auch wenn fast alle Anwesenden schon ziemlich angeheitert waren. Auf jeden Fall war es lustig die Koreaner zu belauschten, weil sie nicht dachten, ich könne sie wahrhaftig verstehen. Man erfährt einiges über sich. Ich kann es allen Reisenden nur ans Herz legen, belauscht einfach mal Japaner, es lohnt sich.

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