Endlich, es hat auch eindeutig viel zu lange gedauert, aber das Semester hat wieder angefangen. Woran man das fest machen kann? Nicht etwa an der Anwesenheit einiger Studenten oder dem Anfang der Kurse, nein Group Mori hat endlich wieder seine Pforten geöffnet. Dieser Umstand muss gefeiert werden und aus diesem Grund wurde heute die Kaffeestunde unsicher gemacht. Gut, nicht nur aus diesem Grund, aber es war ein Teilgrund. Carmens Forschungsgruppen konnten gut eine Untermalung durch japanische Rentnerauskünfte gebrauchen. Aus diesem Grund brachte ich sie heute mit Group Mori in Verbindung, welche bessere Möglichkeit könne es sonst dazu geben? Aber nicht nur Carmen brachte ich das Ganze näher, auch die neuen Deutschen erschienen nach meiner Aufforderung. Beide Seiten waren begeistert. Die Deutschen wollen ab jetzt regelmäßig vorbei schauen und Carmen bereut es, kaum noch Zeit dafür zu haben, bis sie wieder zurückkehrt. Die Damen waren auch gut drauf. Neben sehr gutem Essen waren sie sehr neugierig und fragten die Leute ziemlich aus. Besonders Carmen, die sich mit Sozialdiensten gut auskannte, war ein gefragter Gesprächspartner. Ein wenig neidisch konnte man aber schon werden. Immer wenn ich sie über Geschichte befragen möchte, ist es ein wirklicher Kampf. Japaner geben ungern Fakten aus ihrer Vergangenheit preis. Wenn es aber um den Wertewandel der Jugend und das Selbstbild der Rentner Japans heutzutage geht, sprudelt es nur so heraus aus den Damen. Natürlich war das für Carmen eine gefundene Informationsquelle. Aber es ist ja auch in Deutschland bekannt, dass ein gewisses Meckern über die Werteverluste der heutigen Jugend gegenüber dem Alter, bei Rentnern ein beliebtes Gesprächsthema ist. Es gibt halt Dinge, die sich auch über tausende Kilometer nicht ändern. Auf jeden Fall kann man sagen, was will man mehr? Gutes Essen mit viel Gemüse und dazu noch interessante Gesprächsthemen, meine Gäste waren begeistert. Es ist auf jeden Fall schön, wieder die Chance zu haben, die alten Damen zu treffen. Irgendwie hat das die letzten Monate gefehlt.
Ansonsten muss ich unbedingt die nächsten Tage auf meine Gesundheit achten, immer mehr Leute hier bekommen eine Grippe. Shimizu hatte die letzten Tage erhöhte Temperatur und Olga, Nobu und Kim sind mittlerweile auch erkältet. Da Nobu sich besonders schlimm anhörte, als ich heute gerade am Kochen war, bekam er schnell noch eine Misosuppe vorgesetzt. Er war zwar ziemlich überrascht, dass jemand sich um seine Krankheiten kümmert. Das war er nicht so unbedingt gewöhnt, aber ich kann ihn ja nicht wirklich umkippen lassen. Das wechselhafte und regnerische Wetter der letzten Tage scheint auf jeden Fall seinen Tribut zu fordern. Sichtbar ist das auch insbesondere auf dem Campus. Niesen ist bekanntermaßen eine sehr unsaubere Sache und dadurch ziemlich verpönt in Japan. So etwas wie Gesundheit wünschen wird dementsprechend hierzulande auch nicht vollzogen. Um diesen Umstand zu honorieren, trägt die halbe Bevölkerung mittlerweile wieder Mundschutz. Der Vorteil liegt auf der Hand, die Ansteckungsgefahr von anderen und sich selber ist durch die Masken natürlich stark gesenkt. Gleichzeitig fühlt man sich aber meiner Meinung nach ziemlich unwohl, wenn einem fast alle Gesprächspartner mit diesen Masken gegenüber sitzen. Man fühlt sich unrein und ausgegrenzt. Aber gut, japanische Traditionen sind japanische Traditionen, es ist nicht so, als ob man daran etwas ändern könnte.
Das Problem mit der Ausgrenzung habe ich auch morgen. Morgen ist das große Treffen aller Mitglieder meines Büros. Normalerweise habe ich bei dem letzten Treffen teilgenommen. Dieses Mal hat mir aber keiner wirklich Bescheid gesagt und nur Shimizu hat die Veranstaltung erwähnt. Morgen muss ich wirklich dringend herausfinden, ob ich auch eingeplant bin. Normalerweise würde ich sagen ja, aber falls doch nicht, wäre es unhöflich, trotzdem zu erscheinen. Weiterhin ist eine Selbstvorstellung der eigenen Person ein Teil der Veranstaltung, falls ich das wirklich ebenfalls auf Japanisch machen muss, hätte ich eigentlich gerne vorher davon gewusst. Hoffentlich finde ich morgen noch rechtzeitig einen Verantwortlichen, um diese Frage zu klären.