Rentner sind schrecklich – namentlich bekannte natürlich ausgenommen! So schlecht habe ich schon lange nicht mehr geschlafen. Die Berghütte hatte Gruppenfutons. Natürlich nicht eins pro Person, sondern eins für uns beide und Teile des Nachbarfutons. Meine Nachbarin schaffte es aber, ihr Futon so wegzuziehen, dass ich auf dem Boden lag. Zu allem Überfluss redeten meine Nachbarn bis spät abends und morgens um 4 Uhr konnten sie nicht leise zum Essen gehen, sondern mussten sich lautstark den neuesten Tratsch berichten und natürlich Festbeleuchtung aktivieren. Zum Glück wollten wir eh um 4.30 Uhr raus und überraschend traute sich eh kaum einer auf unsere Strecke. Nicht mal Melanie war überzeugt (wegen meiner Schuhe). Das hält mich nicht auf und es entwickelte sich eine harte und gefährliche Klettertour. Von Stein zu Stein und an Ketten entlang hangeln – kein Wunder, dass kein Rentner es versuchte, dort hoch zu kommen. Belohnt wurden wir mit einem genialen Sonnenaufgang. Weiter ging es auf bis zu 3.100 Meter. Traditionell ist dort ein kleiner Schrein aufgebaut. Aber mal ehrlich, wer betet für gute Heimkehr, wenn der Club ohne Hilfe von oben versagt? Mein Wunsch wurde deshalb etwas angepasst – die verbotene Stadt soll nur kommen!
So blieb nur noch ein Problem für uns beide zu lösen: Wer hoch kommt, muss auch wieder runter. Zu diesem Zweck durften wir uns an dem gesamten Gebirge entlang hangeln. Das war ein lustiges Unterfangen, was mir genau wie das Abseilen später viel Spaß bereitete. Problematischer wurde es, als es auf einmal 5 km steil den Berg herunter ging. Am Anfang war es sehr leicht, bis mir meine 3 Liter Wasser ausgingen. Da es knapp 20 Grad bei berstender Sonne waren, war ich hoffnungslos zu warm angezogen und Melanie wurde aus Zeitdruck immer schneller, so dass ich nicht an ihr Wasser herankam. Dank ihres großen Rucksacks hatte sie mehr als ich dabei. Völlig dehydriert und unter japanischer Aufsicht erreichte ich die Zielhütte. Noch 2 Stunden waren Zeit, um den Bus zu erreichen. Melanie war der Meinung, in meinem Zustand schaffen wir das nicht und sie musste den Bus erreichen – also zog sie alleine los. Vorher beging sie aber den größten Fehler, der möglich ist: Sie sagte die vier Worte, die schon Generationen von Lehrern, Professoren, Freunden und Eltern zum verzweifeln brachten: du schaffst das nicht. Ein sehr schwerer Fehler! Dazu wurde auch noch mein Geiz angesprochen: wenn ich den Bus nicht bekomme, verliere ich 100 Euro plus neue Kosten. Das reichte beides als Information. In Japan haben im TV alle Leute Modi – Superpolizist Hypermode und so weiter – das selbe aktivierte ich auch. Eine Flasche Wasser gekauft, dem Gehirn das Erhalten der Schmerzen verboten, böser Blick mit Eurozeichen und die 4 bösen Worte als Mantra – so rannte ich los. Stock und Stein interessierten nicht, 6 mal legte ich mich lang und die Füße schmerzten. Aber mein Kopf schaltete auf blank und in Rekordzeit überbrückte ich die Strecke. Die nach dem Weg gefragten Japaner waren richtig erschrocken über mein Tempo und ich erreichte das Ziel 30 Minuten zu früh und noch vor Melanie. Ihr konnte man den Schrecken förmlich ansehen, dass ich da vor ihr am Bus stand. Sie konnte die Wirkung ihrer Worte ja nicht kennen und auch nicht das Zittern meines Körpers, das mich im Bus nicht mehr rühren lies und die Schmerzen dreifach zurück brachte – das war es mir aber wert. Den Bus hätte ich aber beinahe noch verpasst, da ich mit Erlaubnis des Buspersonals wegen einer Busverspätung zum Umziehen verschwand. Bei meiner Rückkehr stand er schon abfahrbereit da, aber ich schaffte es noch. Jetzt noch den Magen in Shinjuku füllen (auf den Schreck) und per Nachtbus nach Hause. Viele Bilder warten auf ihre Auswertung. Das lange Wochenende habe ich auf jeden Fall sinnvoll genutzt. Und ja: mit Halbschuhen kann man 3000er Berge leicht besteigen!