Fast alle meine japanischen Mitstudenten müssen wieder in Sendai sein. Ich habe sie zwar noch nicht zu Gesicht bekommen, aber es gibt ein unzweifelhaftes Zeichen, was diese Theorie belegt: der Omiyagehaufen wird immer größer im Büro. Wer kennt es nicht? Man verreist und die ganze Familie verlangt nach einem kleinen Mitbringsel. In Japan ist die Arbeit Teil der Familie, also besagen die ungeschriebenen Gesetze Japans, dass man dem Büro ebenfalls etwas mitbringen muss. In Japan ist der Platz aber knapp und für das Büro wären echte Andenken sowieso viel zu teuer. Also bringt man den Freunden und Kollegen sogenannte Omiyage mit. Dabei handelt es sich zumeist um Süßigkeiten, die in besonders vornehmen Verpackungen in jedem Supermarkt oder Bahnhof verkauft werden. Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Jede Region hat dabei natürlich ihre Spezialitäten und die Preise sind auch dementsprechend gesalzen. Zwischen 5 und 100 Euro kann man schon mal gut und gerne für eine Packung Omiyage ausgeben. Dabei ist es noch nicht mal von Bedeutung, ob man wirklich eine Spezialität aus der besuchten Region mitbringt. Man war in Tokyo und bringt Omiyage aus dem Sendai Hauptbahnhof mit? Kein Problem, der Gedanke zählt und wie lecker es ist, wird je jeder bestätigen. Genau dieses Phänomen erleben wir gerade im Büro. Die knapp vierzig Studenten, die zum Großteil die letzten zwei Monate das Büro nicht betreten haben, kehren zurück und alle bringen sie ein bis zwei dieser Omiyageboxen mit. Böse Stimmen würden so weit gehen zu sagen, dass wir das große Fressen nachspielen können. Natürlich wird einem auch jede Spezialität förmlich aufgedrängt.
Dabei darf man dann auch solche Seltsamkeiten wie eine eiförmige Süßspeise mit Grünem-Tee-Kuchen als Füllung probieren. Wenigstens lernt man so die Süßigkeitenspezialitäten des Landes kennen, auch wenn man nicht unbedingt alles davon kennen lernen wollte. Gleichzeitig ist diese Tradition aber auch Grund für den allgemeinen Mangel an Souvenirs. Eine Tatsache, die Europäer immer sehr trifft, da man kaum anständige Mitbringsel besorgen kann. Aber gut, lieber Süßigkeiten als irgend einen Staubfänger, den man eh nie wieder anschaut!Ansonsten habe ich heute offiziell eine Einladung zum Botschaftsempfang am Tag der Deutschen Einheit erhalten. Leider ist ein drei-stündiger Empfang meiner Meinung nach kein ausreichender Grund, nach Tokyo zu reisen. Die Einladung ist aber sehr interessant. Es wird gebeten, sportlich leger, besser noch aber in Uniform oder Tracht zu erscheinen. Zum einen gibt es in meiner Region keine Tracht, die ich freiwillig anziehen würde (es sei denn, FCM-Trikots zählen seit neustem auch zur Tracht), zum anderen dürften hierzulande eigentlich nicht all zu viele deutsche Uniformträger herumlaufen. In anderen näheren Ländern hätte ich das ja noch verstanden, in Japan dürfte es aber nur Uniformträger in Form von Botschaftswachen geben. Wieso deshalb besonders die Tracht und Uniform hervorgehoben wurde, verstehe ich aus diesem Grund beim besten Willen nicht.
Ansonsten haben mir die netten Damen von Group Mori die Liste der ausländischen Neuankömmlinge zugespielt. Wie es aussieht, sind nur zwei deutsche Studenten vom Internationalen Haus betroffen und es werden wohl fünf oder sechs Deutsche insgesamt kommen. Drei habe ich heute schon einmal kurz gesehen. Aber ich warte erst einmal ab, bis ich mich anständig mit ihnen unterhalten kann. Ich bin gespannt.