Das Semester fängt bald wieder an und im Büro der deutschen Literatur herrscht Chaos. Woher kenne ich das nur? Im Endeffekt gibt es zwischen dem Studium in verschiedenen Ländern doch keine so großen Unterschiede. In diesem Fall ist für dieses Chaos mein betreuender Professor verantwortlich. Leider hat er es geschafft, sich den Arm zu brechen und deswegen jetzt im Krankenhaus zu liegen. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass er gerade andere Probleme hat, als sich um die Angelegenheiten des Büros zu kümmern. Hauptleidtragender dürfte damit aber in gewissem Sinne ich sein. Wie es im nächsten Semester weitergeht mit meinen Kursen, kann mir leider niemand sagen. Noch nicht einmal die Ergebnisse meiner Sprachprüfungen letztes Jahr sind mir bekannt. Verständlicherweise sind die anderen Professoren und mein zweiter Betreuer auch nicht so weit informiert und so sitze ich momentan etwas auf dem Trockenen. Zum Glück ergeben sich durch die Arbeit an dem PC der deutschen Professorin für mich gleichzeitig aber auch ungeahnte Möglichkeiten. Sah ich sie bis dato nur äußerst selten, hatte ich die letzten Tage Gelegenheit, ausgiebigere Gespräche mit ihr zu führen. Neben einer Einladung zum Tag der Deutschen Einheit in die Deutsche Botschaft, betreffen diese Gespräche verständlicherweise das Studium. So interessierte sich wirklich mal ein Professor für meine Forschungen und ich konnte wirklich eine Mindstorming-Session mit jemand anderem machen. Bisher waren alle meine Ideen und Untersuchungen alleine auf meinen Mist gewachsen und maximal mit anderen Studenten abgesprochen, deshalb ist eine derartige Gesprächsrunde für mich zur Abwechslung einmal sehr nützlich gewesen. Nur bei einer ihrer Meinungen würden die Göttinger Forscher vermutlich verzweifeln. Der in Göttinger Kreisen sehr geschätzte W. G. Sebald, wurde von ihr als überschätzt eingestuft. Ich halte mich in diesem Fall lieber mit Wertungen zurück.
Ansonsten schaffen es Japaner immer wieder, mich zu überraschen. Um meinen Vitamin- und Nährstoffhaushalt auf der Höhe zu halten, leistete ich mir heute den Luxus einiger Karotten. Dazu muss man sagen, dass man in Japan teils abenteuerliche Preise für Gemüse und Obst zahlen muss. Ein Apfel kann da schon einmal schnell 1.50 bis 2 Euro kosten. Auf jeden Fall hatte ich Hunger auf diese Karotte, reinigte sie noch im Laden und biss beherzt beim Herausgehen zu. Der japanische Ladenbesitzer wollte seinen Augen gar nicht trauen und versuchte mir klar zu machen, dass ich die Karotte doch schälen müsste. Er hatte schon ein Messer in der Hand, um diese Aufgabe zu übernehmen. Wieso es so schädlich sein soll, die Schale so zu essen, war mir aber nicht klar und so ließ ich mich auch zu seinem Frust nicht davon abbringen. Vermutlich haben Ausländer damit wieder einen Punkt mehr auf der Barbarenliste der Japaner gewonnen, mir war es egal und lecker war es auch so.
Abends gab es dann noch ein Sechs-Pilzarten-Omelett in einer Co-Produktion mit Orsolya. Aufgrund der großen produzierten Menge an Omelett versorgten wir Nobu gleich auch noch damit. Dieser war so begeistert, dass er den Nachtisch in Eisform sponserte und von uns das Rezept für Omelett haben wollte. Im Endeffekt müsste Omelett in Japan auch bekannt sein, aber offensichtlich war es doch überraschend. So haben wir wenigstens eine Studentenspeise jetzt neu in Japan einführen können. Wichtiger an dem Essen war aber die Tatsache, dass wir mit viel Mühe Nobu zum Erzählen über seine Forschungen bringen konnten. Wenn wir ihn richtig verstanden haben, sind Teile seiner Masterarbeit ziemlich nahe an meinen Interessengebieten gelegen. Wieso er erst heute damit raus rückte, ist aber wirklich seltsam. Da die Punkte aber sehr interessant sind, hat er mir versprochen, mich demnächst noch genauer darüber zu informieren. Vielleicht kann ich ja einige Erkenntnisse daraus einmal für eigene Ansätze verwenden. Zum Glück kenne ich mit ihm einen der wirklich seltenen Geisteswissenschaftler hier in meiner Uni, wenn jetzt nur noch die Verständigung leichter wäre.