Von japanischen Beamten und begaffen, wie im Zoo

Wir haben es irgendwie geschafft! Nicht ganz munter, aber immerhin früh genug erschienen wir heute zum Frühstück. Also konnte es ja ein ganz ruhiger Tag für uns werden und für das Personal unseres Hotels. Nein, das konnten wir doch wirklich nicht zulassen. Es gehört mittlerweile hier zum guten Ton, dass wir immer irgend etwas zur Beschäftigung des Hotelpersonals beitragen. Gestern, bei unserem Auftritt im Rathaus, hatte man uns immerhin eine englische Karte der Stadt überreicht. Ein logisch denkender Mensch würde annehmen, dass alle Touristenorte, die in diesem Prospekt erwähnt werden, auch irgendwie erreichbar sind. Ein Stausee fiel uns besonders ins Auge und Dennis bekam den Auftrag nachzufragen, wie man ihn denn erreichen kann. Nach angeregten Diskussionen drückte das Personal Dennis ein Telefon in die Hand und er sprach mit irgend einer Frau. Meiner Vermutung nach mit der Touristeninformation, aber das werden wir wohl nie herausfinden. Es wurde kurz das Problem geschildert und die Gegenstelle redete auf einmal auf Japanisch auf ihn ein. Kein Problem für Dennis! Ein „Ich hab hier einen, der das besser versteht als ich.“ später stand ich, der etwas später dazu gekommen war, auf einmal mit dem Telefon da. Man erklärte mir, dass man selber nicht wisse, wie man den Ort erreichen soll. Schließlich würde nie ein Tourist da hin wollen und ich solle doch später noch einmal anrufen, man versucht es herauszufinden.

Ein sehr nettes Angebot, wenn man nicht ein klitzekleines Detail vergessen hätte: Ich hatte natürlich die Telefonnummer nicht und die Nummer, die das Hotel mir gab, schien nicht zu stimmen. Jetzt war guter Rat teuer. Wir entschieden uns für das Rathaus. Gestern hatten wir ja schon Bekanntschaft mit dem Public Relations Büro gemacht und wer uns einmal helfen kann, kann uns auch zweimal helfen. Dort war man genauso überrascht, wie die Dame am Telefon. Ohne Auto zum Stausee, wer macht den so etwas? Das Bild vom Stausee ist doch nur auf der Karte, um alle schönen Orte aufzuzählen, die müssen doch nicht erreichbar sein. Nach zähen Verhandlungen willigte man ein, uns Buslinien in die Nähe des Stausees zu suchen. Ein Unterfangen, das zwei japanischen Beamten immerhin zehn Minuten ihrer Arbeitszeit kostete. Dafür überreichte man uns genaue Pläne: Karten, Busfahrpläne, Busstreckenpläne in verschiedensten Ausführungen. Die Reise ist nun generalstabsmäßig durchgeplant, nur antreten können wir sie eventuell nicht. Die Busse fahren so ungünstig, dass wir nicht sicher sein können, ob wir zurück kommen. Ob wir deshalb morgen das Unterfangen antreten, wird erst noch entschieden. Trotzdem ein großes Dank an die japanischen Beamten, auch wenn ich viermal betonen mussten, dass eine ca. 5 Kilometer lange Wanderschaft zum See wirklich kein Problem darstellen würde. Im Gegenzug freute man sich, mal Ausländer als Gäste zu haben, kommt wohl nicht all zu häufig vor.

Da der Stausee heute auf keinen Fall erreichbar war, entschieden wir, zu einem Tempel, vier Zughaltestellen weiter am Meer, zu gehen. Der Zug fuhr natürlich nicht regelmäßig, also wurde hin gewandert – schon mal Übung für den Stausee. Der Weg führte uns durch normale Wohnviertel, mit ziemlich heruntergekommenen Häusern, durch den Hafen und einige Teile der Stadt, die noch nie ein Ausländer vor uns gesehen hat, jedenfalls vom Gesichtsausdruck der Japaner zu urteilen. Genug zu erzählen werden sie aber heute Abend alle haben. So zum Beispiel am Ende des Hafens. Es gab auf einmal eine Sackgasse, wo ein Zaun den Weg zu einer Straße, die zum Tempel führte, versperrte. Was macht der faule Ausländer? Doch nicht umkehren und einen neuen Weg suchen! Es gab einen Weg, der auf ein kleines Gelände führte, was den Zugang zur Straße erlaubte. Also schnell diesen genutzt. Wie sich herausstellte, war das Gelände, was wir nutzten aber Privatgelände und Zutritt verboten. Es gab sogar einen Wachmann. Für uns war das aber nicht ersichtlich, da niemand erwartete, dass jemand diesen Weg nutzt. Als wir ihn sahen, gingen wir leise pfeifend und in Seelenruhe weiter. Er sagte kein Wort, als er uns als Ausländer erkannte. Eine ziemlich peinliche Aktion, die uns aber viel Zeit einsparte. Ansonsten waren es hauptsächlich Rentner, die uns misstrauisch anstarrten.

Für den Tempel lohnte sich aber schon der Weg, nur war er leider von der Industrie des Hafens eingegrenzt. Ansonsten handelte es sich um einen Seemöwentempel. Die Seemöwen auf dem Gelände sind gleichzeitig heilige Tiere des Tempels und der Tempel selber lag malerisch auf einem kleinem Kliff. Daneben befand sich auch noch ein kleiner Strand, den wir zum Wasser testen nutzten. Aufgrund sporadisch einsetzenden Regens, mussten wir dann mit dem Zug zurück. Die Ankunft am Tempel war ja schon unangenehm. Eine knapp dreißig Kinder starke Schulklasse von grob geschätzt Fünftklässlern hatte uns bei unserer Ankunft der Reihe nach begrüßt und sich tierisch gefreut, dass wir antworten. In der Zugwartehalle gab es aber nur ältere Schüler. So beobachtet habe ich mich in Japan noch nie gefühlt. Wirklich alle Augenpaare waren auf uns gerichtet. Es ist ja nicht so, als ob wir Aliens sind oder so etwas, aber gut, wir sind halt Ausländer. Hier in Hachinohe haben wir aber nun mal eine Ausnahmestellung, die das Ganze etwas komplizierter macht, weil Ausländer zu ungewohnt sind.

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