Es wird dunkel, die Stadt stirbt aus und nur ein kleines Vergnügungsviertel mit dem Namen Kokubuncho ist noch belebt. Das sollte man eigentlich meinen, schließlich ist es in Deutschland meistens auch nicht anders, dass nach Ladenschluss die Einkaufsmeilen aussterben und die Bars Hochbetrieb haben. In Sendai sieht das Bild aber überraschend anders aus. Ein Spaziergang durch die Arkaden bei Nacht lohnt sich immer. Allgemein kann man eh nicht von Ladenschluss sprechen, weil einige der Läden bis zehn offen sind. Aber es gibt noch eine interessante Veränderung bei Nacht. Ab 9 werden die Arkaden von verschiedensten Personen bevölkert. Auf der einen Seite die Künstler und Kleinhändler. Handgefertigter Schmuck wird in verschiedensten Arten verkauft. Daneben nehmen die Künstler die zweite Position ein. Egal, ob vor Ort gefertigte Kalligrafien, vor Ort angefertigte Comiczeichnungen oder ähnliches, die Auswahl ist beeindruckend und das Talent der Künstler nicht zu verachten. Besonders auffällig ist, dass sich mittlerweile das Prinzip „Geben sie so viel, wie sie denken.“ durchgesetzt hat. Eingeführt wurde es von dem Künstler, dem Orsolya und ich vor einer Weile mal eine Kalligrafie abgekauft haben und die anderen haben die Vorteile erkannt. Viel mehr Leute kaufen so die Bilder und bekommen dann Angst, zu wenig zu geben. Dadurch macht der Künstler einen höheren Gewinn. Neben diesen gewerblichen Künstlern, gibt es noch die freien Künstler. Egal, ob Pantomimen, Wrestler oder Musiker, in den Arkaden findet man alles. Auszeichnen tut 95 Prozent dieser Künstler eine Tatsache, sie wollen kein Geld. Kaum einer hat den typischen Hut vor sich stehen, sondern es wird gemacht, um Werbung für sich zu machen oder seine Kreationen vor Publikum zu testen. Heute war zum Beispiel ein sehr begabter Pantomime das Zugpferd in den Arkaden. Knapp 35 Menschen standen um ihm herum und betrachteten seinen Auftritt mit Zaubertricks, Pantomime und Jonglieren. Die einzige Bezahlung, die wir miterleben konnten, war die Werbung für seine Internetseite und das eventuell ihn einer der Zuschauer mal bucht. Dafür konnte er seinen Auftritt auch mal vor Publikum üben. Etwas weiter stand ein Wrestler im Kostüm und ließ sich mit einigen japanischen Damen ablichten, freier Oberkörper inklusive. Die Frauen waren begeistert und er machte Werbung für seinen Verein und seine Kämpfe. Mir blieb nur festzustellen, dass ich mir Shimizu in diesem Gedränge an Auftritten richtig vorstellen konnte. Vor kurzem stand er ja dort auch bereit, seine eigenen Kompositionen vorzuspielen. Wer etwas erleben will, muss in Sendai also nicht unbedingt in das Vergnügungsviertel laufen, in den Arkaden findet sich auch so etwas.
Juli 10