Bitte hier anstellen für die Bananen oder Hindernislauf auf Japanisch

„Hast du das Spiel geschaut? Ja! Gut, mein Beileid und ich frage dich heute nichts mehr.“ So müde sah ich eigentlich gar nicht aus und die nicht immer richtigen Antworten, kommen schon mal vor, aber irgendwie hatte meine Lehrerin heute Mitleid mit mir. Der Kurs sah eh ziemlich übersichtlich aus, waren von allen fußballbegeisterten Männern des Kurses am Ende doch, bis auf mich, niemand zur Stunde erschienen. O.k., schlafen war verlockend, aber wie heißt es doch so schön: Schlafen kann ich, wenn ich tot bin! Und mal einen Tag ohne Schlaf auszukommen, geht ja gerade noch. Wenigstens die Mitleidsbekundungen und teils auch Schadenfreunde aller Leute, die ich kenne, konnte ich mit zwei Dingen beantworten. Mein Weltmeistertipp ist immer noch aktiv und kann mir 16 Punkte beim Tippspiel bringen und mein Verein hat am selben Tag wenigstens gewonnen, wenn auch nur ein absolut unbedeutendes Testspiel gegen einen Aufbaugegner.

Allgemein war heute ein verdammt sonniger und heißer Tag, was die Klimaanlagen überall auf Hochtouren laufen ließ. Umso erstaunter war ich, wie eines der Lieblingsphänomene der Japaner heute besonders extrem zuschlug: das „in einer Reihe stehen“. Japaner scheinen von Geburt an einen Schalter im Kopf zu haben, der beim Anblick eines potentiellen Einganges anspringt und eine Aufreihung vornehmen lässt. Man erinnert sich an das Einsteigen in Züge oder Busse in Deutschland, wo das Recht des Stärkeren gepredigt wird. Ein Zustand, der hier in Sendai undenkbar wäre. Schon zehn Minuten bevor der Bus kommt, stehen zehn bis fünfzehn Personen in einer Reihe, um ihn zu besteigen. Ein Kaufhaus hat zwei Türen, wovon eine offen steht. Es bildet sich eine Reihe, um durch genau diese eine Tür zu gehen. Die überraschten Gesichter, wenn man die andere Tür mal benutzt und so vor den anderen den Laden betritt, zeigen an, wie abstrus diese Idee der Abkürzung sein muss. Auch in der Uni lebt alles von Schlangen. Die Essenschlangen zu den immerhin 8 verschiedenen Mensen oder Cafeterien, stellen jede Schlange vor der Hauptmensa in Göttingen in den Schatten. Besonders interessant, finde ich dann immer die Schlangen vor Restaurants. In der Nähe von Kokubuncho haben wir ein Schnellrestaurant, vor dem es immer Schlangen gibt. Die Restaurantleitung geht so weit, einen extra Wachmann nur für diese Schlange zu beschäftigen. Jetzt sollte man meinen, das Essen dort sei so besonders. Aber Shimizu versicherte mir heute, dass es sich um ganz normales Essen handelt, was es an jeder Ecke gibt. Wieso sich diese Schlange bildet, weiß keiner. Aber wenn man vorbeigeht, kann man beobachten, wie Japaner vor jedem Restaurant stehen, überlegen und sich dann einfach in die Schlange stellen. Da stört dann auch nicht, dass man locker mal 15 bis 30 Minuten auf den Einlass warten muss. Mich würde das allerdings immer abhalten und nach einem Ersatzrestaurant suchen lassen.

Jetzt kommt natürlich die Frage: Wieso fällt ihm das heute auf und wieso ist das so schlimm? Schließlich verhindern diese Schlangen ja ein größeres Chaos. Dieser Punkt lässt sich leicht beantworten: Weil im Moment eine zweite japanische Eigenschaft zum Tragen kommt, die diese Schlangen unangenehmer werden lässt – besonders, wenn es sie zu häufig gibt, wie es heute der Fall war. Dieses Eigenschaft betrifft zu 90 Prozent Frauen, auch wenn ich schon vereinzelt Männer mit dem selben Phänomen gesehen habe. Es handelt sich um des Japaners liebstes Spielzeug, den Regenschirm. Wieso jetzt Regenschirm, es ist doch absoluter Sonnenschein? Genau da kommen wir zum Knackpunkt.

Die Verwendung des Regenschirms im Regen ist normal, auch wenn sie hier meist schon beim aller ersten Tropfen vorkommt. Es existiert aber der Vorteil, dass die Leute schneller versuchen, ihr Ziel zu erreichen und dadurch kein Verkehrshindernis darstellen. Im Sonnenschein sieht das aber anders aus. Viele japanische Damen fürchten sich vor dem Sonnenschein und nutzen ihre Regenschirme im Sonnenschein als Sonnenschirm. Dazu wird langsam flaniert und die Wege werden versperrt. Da der Regenschirm bei einer Standardjapanerin dazu noch auf meiner Augenhöhe ist, bin ich jedes Mal wieder froh, eine Brille zu haben. Mehr als einmal verhinderte diese schon schlimmeres. Wenn dann die Leute noch in einer Reihe anstehen, als ob es zu DDR-Zeiten Bananen gäbe, entwickelt sich der Abschnitt der Straße zum Spießrutenlauf. Heute, durch den starken Sonnenschein, war es deshalb genau so ein Tag. Interessanterweise gibt es dann auch noch einen besonders harten Kern an Damen, die den Regenschirm auch bei Bewölkung in der Hand haben. Diese Gründe erschließen sich mir dann gar nicht. Ob es sich um eine Modeaussage, Schutz vor etwaigem Regen oder Schutz vor spontan erscheinenden Sonnenstrahlen handelt, keine Ahnung. Wenigstens kann ich immer sagen, ich halte mich nur an die Japaner und werde deshalb nicht braun.

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