Studium in Japan

Es ist schon überraschend. Überall auf der Welt sind Studenten im Besitz eines Bachelor- oder Masterabschlusses, doch vergleichbar sind diese überhaupt nicht. O.k., wer jetzt an die unterschiedlichen Herangehensweisen der Studiengänge innerhalb Europas denkt, hat sicherlich recht, der Unterschied zu Asien und insbesondere Japan fällt aber wirklich extrem auf. Die Tatsache, dass alle Absolventen der Germanistik hier in Japan, irgend etwas arbeiten, was nicht ihrem Studienprofil entspricht, hat mich ja schon des öfteren verwundert. Heute habe ich endlich das System dahinter in groben Zügen verstanden.
Wenn ein Japaner an die Uni geht, entscheidet er nicht wie in Deutschland, welches Fach er studieren möchte, sondern schreibt sich für eine Fakultät ein. In meinem Fall also die Philosophische Fakultät. Vor allem im ersten Jahr, gibt es dann einen vorgeschriebenen Unterricht, der alles abdeckt. Germanistik-Studenten, die Algebra oder Stochastik-Hausaufgaben im Büro lösen, sind deshalb keine Seltenheit. Im zweiten Jahr des Studiums, entscheidet man sich dann für ein Profil des Studiums. Dieses Profilfach steuert daraufhin das Büro bei und stellt den Hauptanteil der Pflichtkurse. Allgemeine Kurse wie Mathematik, Englisch oder Geschichte, bleiben trotzdem erhalten. Sich in Fächer anderer Profile hinein zu setzen, ist ebenfalls möglich, erscheint aber nicht auf den Zeugnissen. Durch dieses Vorgehen, bleibt das Studium aber sehr allgemein und breit gefächert. Die Fachspezifikation tritt hauptsächlich beim Büro auf und hat ansonsten bis auf eine Handvoll Pflichtkurse keine Bedeutung. Nach vier Jahren hat man dann den Bachelor erreicht. Dies ist der Zeitpunkt, wo die meisten Studenten aufhören. Ein Jahr vorher kommt es für die Betreffenden Studenten dann zur wichtigen Phase der Berufswahl. Bewerbungsgespräche stehen an, die in extra Kursen an der Uni vorbereitet werden. Schafft ein Student es wider Erwarten nicht auf Anhieb, einen Job zu bekommen, kann er einfach solange seinen Bachelor weiterstudieren, bis es klappt. Dieser Fall ist aber sehr selten. Den Arbeitgebern sind dabei die Bachelorarbeiten komplett egal und auch ansonsten kommt es auf die Fachwahl bei der Berufswahl nicht an. In gewisser Weise kann man das Bachelorsystem hier also mit dem Fachhochschulstudium oder sogar noch eher mit einer normalen Ausbildung in einer Berufsschule gleichsetzten. Wirklich ändern tut sich dies auch im Masterkurs nicht. Das Studium bleibt ziemlich allgemein und nur die Naturwissenschaftler haben die Möglichkeit, sich hier nun endgültig zu spezialisieren. Ein Geisteswissenschaftler schafft dies erst wirklich beim Schreiben seiner Doktorarbeit.

Insgesamt gesehen ist das Herangehen auf jeden Fall interessant, aber aus meiner Sicht nicht wirklich praktikabel. Besonders die Tatsache, dass man kaum mal einen Job in seinem eigentlichen Berufsfeld bekommt, würde mich doch arg stören. Auf der anderen Seite, bekommen fast alle Studenten einen Job. Das ist mehr, als man von Geisteswissenschaftlern in Deutschland sagen kann. Als wirklich sinnvollen Punkt, sehe ich dagegen das Büro an. Ein wirklicher Treffpunkt, der die Studierenden über die Semester hinaus zu einer Einheit werden lässt. Gerade das größere Einheitsgefühl sorgt zeitgleich dafür, dass man sich mehr zwischen den Kursen hilft und sich austauscht. Eine Bibliothek, wie wir sie in Göttingen haben, ist damit auf jeden Fall nicht zu vergleichen. Dort ist Ruhe erbeten und man kann im Allgemeinen kaum mal mit Leuten sprechen, ohne sie gleich zu stören. Dass zeitgleich durch die Professoren das Einheitsgefühl gesteigert wird, sorgt weiterhin für ein noch größeres Wir-Gefühl. Ob die Professoren sich zu den Studenten zum Mittagessen dazu setzen oder wie heute mal wieder Tennisspielen oder auch andere gemeinschaftliche Veranstaltungen angesagt sind. Es wird niemand ausgegrenzt und es herrscht eine absolut entspannte Atmosphäre im Büro, ohne die kleinste Grüppchenbildung. Alles im allem gibt es zwar ein paar interessante Ansätze hier im Studium. Bis auf das Büro, würde ich aber immer das deutsche System bevorzugen, solange es mal wirklich durchdacht ausgeführt würde.

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