Jeder Student kennt wohl das Problem: Wo soll ich wohnen, wenn meine Wohnzeit im Studentenwohnheim zu Ende geht? In Deutschland wäre man nun auf sich alleine gestellt und dürfte die Wohnungssuche starten. Im University Haus Sanjo versucht man, dem Problem auf andere Weise habhaft zu werden. Schon vor zwei Monaten landete bei uns ein Brief im Briefkasten, der die Studenten aufforderte, ihre zukünftigen Wohnungspläne zu beschreiben. Zieht man zurück zu den Eltern, verlässt man die Stadt oder benötigt man eine Wohnung? Alle Studenten, die ihre Wohnungssuche darlegten, erhielten dieses Wochenende eine Einladung zum Wohnungsmarkt im Wohnheim. Wir anderen waren natürlich auch eingeladen. Sinn der ganzen Veranstaltung war das Zusammenbringen der Studenten mit einigen Immobilienhändlern. Dazu wurden verschiedene studentenfreundliche Wohngelegenheiten vorgestellt und die Studenten auch mit Bussen zu etwaigen Wohnzielen gefahren. Dank dieses Services hatte ich heute auch einmal die Gelegenheit, mich ein wenig in die Wohnungsmarktsituation Japans einzuarbeiten.
Man kann gar nicht sagen, wie dankbar man für einen Wohnplatz in Sanjo sein muss. Die Unterschiede zum etwas billigeren Internationalen Haus habe ich ja schon des öfteren anklingen lassen. Für einen Preisunterschied von knapp fünfzig Euro bekommt man eine Klimaanlage mit Heizfunktion, gute Dämmung, saubere Zimmer und viele Extras gestellt. Die Unterschiede zu echten Wohnungen sind aber noch einmal drastischer. Der Wohnungsmarkt der vorgestellten Wohnungen fing erst bei knapp vierhundert Euro an. Dabei war aber weder Gas noch Wasser mit eingerechnet. Vielmehr muss man wirklich alles selber besorgen, noch nicht einmal die Klimaanlagen sind vorhanden. Ein Mitbewohner besichtigte eine dieser Wohnungen, die keine Heizung und keine Dämmung hatte, was den Winter noch unangenehmer gestalten dürfte. Eine weitere Summe auf den Zetteln der Immobilienmakler überraschte mich dazu noch. Eine zwei bis drei mal so hohe Summe wie die Miete, muss als Einmalzahlung geleistet werden. Meine Nachfrage, ob man dies als Kaution nach dem Auszug wieder bekommt, wurde von den Ansprechpartnern verneint. Die Erklärung ist einfach, wie auch Japanisch. Mit diesem Geld bezahlt man dem Vermieter die Freundlichkeit, dass er einen in seine Wohnung ziehen lassen würde. Als arroganter Europäer bin ich bis dato immer davon ausgegangen, dass der Vermieter jemanden in der Wohnung braucht, um dadurch Geld zu verdienen. Dass dies eher eine Unannehmlichkeit darstellt, ist mir auch neu gewesen. Das bedeutet gleichzeitig, dass man schon bei der billigsten angebotenen Bleibe achthundert Euro verliert, ohne dass man etwas dafür als Gegenleistung erhält, außer das Mietrecht. Für Studenten ist das eine stattliche Summe. Ein Grund warum ich über mein ein Jahres Aufenthalt sehr glücklich bin. Eine bekannte musste aus diesem Grund für ein halbes Jahr in eine echte Wohnung ziehen und diesen Geldbetrag zahlen. Betreffen wird es aber am Ende viele meiner Freunde. nach einem Jahr muss man aus beiden Wohnheimen auf jeden Fall ausziehen. Die Freude der Betroffenen ist auf jeden Fall sehr groß. Zum Glück ist es aber ohne diese Wohnheimveranstaltung auch möglich, eine Wohnung zu erhalten, die günstiger ist.
Nach dieser Exkursion war ich auf jeden Fall heil froh, nicht davon betroffen zu sein und entschied, noch einmal kurz die Stadt aufzusuchen. Mein Weg führte mich über ein neues Konzert im Stadtpark zum Oktoberfest. Mit dem heutigen Tag ist dieses Event endlich auch überstanden. Die Band sah mich schon aus der Entfernung und verabschiedete sich noch überschwänglich. Ich gab ihnen noch einige Ratschläge für Tokyo mit auf dem Weg. Ihre Begeisterung für Japan, eher noch aber für Bier, hat nach 10 Tagen Dauerauftritten aber auch merklich nachgelassen. Als echte Deutsche wurde von ihnen erwartet, dass sie auf der Bühne auch mit Bier erscheinen und regelmäßig das Glas leeren, schließlich haben sie eine Vorbildfunktion für die Japaner und müssen damit den Bierverkauf ankurbeln. Nach 10 Tagen nur Bier, fiel ihnen das aber laut eigenen Aussagen immer schwerer. Auch die ganze Aufmerksamkeit der Japaner wurde für sie immer nerviger. Jeder wollte sie mal berühren oder Fotos machen. Zum Glück wurde das Ganze aber auch sehr gut bezahlt für sie. Ich selber verabschiedete mich aber lieber nur schnell von ihnen und verschwand im Anschluss in die Stadt. In der kurzen Zeit meiner Anwesenheit hatte ich vier verschiedene Freunde getroffen, die alle mit einem Bier mit mir anstoßen wollten. Man muss wahrlich nicht immer trinken.
Die Innenstadt bot aber auch keinen besseren Anblick. Die ganze Stadt bereitet sich auf zwei große Veranstaltungen vor. Zum einen wird alles auf Halloween vorbereitet. Alle Geschäfte sind bis aufs Letzte mit Fledermäusen, Kürbissen und ähnlichem gepflastert, immer aber in der japanischen Version. Man sollte meinen, dass Halloweenkostüme Angst verbreiten sollen, nicht aber so in Japan. Das alte Vorurteil von hässlichen Hexen oder seltsamen Skeletten braucht man hierzulande nicht bedienen, da gibt es lieber die Katzenfrauenhexenkostüme oder ähnliche an Animefiguren angelehnte Verkleidungen. Das zweite Event, was verstärkt vorbereitet wird, ist der Winter. In Anbetracht der überall ausgestellten extra dicken Wollmützen, stelle ich mir langsam wirklich die Frage, auf welche Kältegrade ich mich bitte im Winter einstellen muss. Die Japaner sind auf jeden Fall sehr eifrig dabei, sich eine arktische Grundausrüstung zusammen zu kaufen. Das macht Hoffnung auf mehr.