Manchmal überrascht mich das japanische Universitätssystem doch noch ziemlich stark. In letzter Zeit tritt dieser Fakt sogar relativ häufig auf, seitdem eine der Professorinnen sich doch einmal häufiger mit mir unterhält. So gab es heute das Thema Kurse. Letztes Semester hatte ich kurzzeitig den Versuch unternommen, eine Teilnahme an einem Mittelalterkurs zu erreichen. Da ich mit dem Professor schon Kontakt per E-Mail hatte dachte ich, dies wird ein leichtes Unterfangen. Schnell wurde ich aber abgelehnt. Aufgrund meiner nach seiner Meinung nicht ausreichenden Japanisch-Kenntnisse wurde mir die pure Teilnahme an dem Kurs verwehrt. Nicht einmal einfaches Beisitzen, ohne einmal den Mund zu öffnen (wenn ich es hin bekommen hätte), wurde mir gestattet. Natürlich gibt man sich bei solch einem Versagen selber die Schuld und schlussfolgert, dass der Professor einfach schon einmal schlechte Erfahrungen hatte. Heute wurde ich aber eines besseren belehrt. In Wirklichkeit ist es eher so, dass mir einfach die Kontakte fehlten. In Japan ist es nicht so, dass ein Student solche Versuche alleine unternehmen darf. Nein, in Wirklichkeit muss man einen Fürsprecher mit in den Kurs bringen, der den Professor überzeugt, einen in den Kurs aufzunehmen. Das Ganze funktioniert wohl nach dem alten Prinzip „Ich tue dir einen Gefallen …“. Also hätte ich wohl Professor Morimoto mitnehmen sollen und dieser hätte eine Teilnahme für mich erwirken können. Im Ausgleich hätte er dem Professor etwas geschuldet, bis der den Gefallen einmal eingelöst hätte. Solche Informationen hätte ich mal eher gebrauchen können. Als deutscher Student, der sich um solche Angelegenheiten immer alleine kümmern darf, kann man über derartiges Wissen ja nicht unbedingt verfügen. Eventuell klappt es dieses Semester ja besser, wobei Professor Morimoto immer noch an seinem gebrochenen Arm laboriert.
Als Ausgleich durfte ich feststellen, dass den Japanern ebenfalls auch grundlegendes Wissen nicht unbedingt geläufig ist. Eine Kommilitonin war gerade über einen Monat für ihre Forschungen in Berlin und arbeitet sich sich seit Tagen durch das Internet und die Bibliothek für ihre Magisterarbeit. Thema soll deutsche Mode sein. Was das mit dem Fach Deutsche Literatur zu tun hat? Ehrlich gesagt, keine Ahnung, aber ich kann mir ihre Forschungen ja trotzdem mal erklären lassen. Dementsprechend schilderte sie mir ihre Ideen, die für einen Forschungsaufenthalt und schon über einem Monat abgelaufener Schreibzeit der Arbeit eigentlich nicht existent waren. Also wurde kurzerhand ein Crashkurs „Wie schreibe ich eine Arbeit?“ angefangen. In mehreren Stunden Arbeit erörterten wir alle Möglichkeiten, die sie hat, um aus dem Thema eine wissenschaftliche Arbeit zu formen. Zugegeben, mein Wissen über Mode in Deutschland ist jetzt nicht wirklich umfassend. Wenn ich aber bessere Ideen habe als sie, die schon seid Wochen eigentlich die Arbeit schreiben müsste, ist das schon hart. Auch die möglichen Forschungsmethoden brachte ich ihr näher und langsam haben wir uns einem möglichen Thema für die Arbeit genähert. Ich hoffe, sie überlegt sich die nächsten Tage wirklich ein Thema und hat meine Anmerkungen so weit halbwegs nachvollziehen können. Leider setzte sie nur das typische japanische „Ich verstehe zwar nicht, nicke aber lieber mal brav“-Gesicht auf, so dass ich das nicht mit vollständiger Bestimmtheit sagen kann, aber ich hoffe das Beste. Interessanterweise hat meine Professorin aber mir zugestimmt und mich aufgefordert, doch auch den anderen Arbeitsschreibern in der nächsten Zeit etwas unter die Arme zu greifen. Laut ihrer Aussage schreiben Japaner in der ganzen Unizeit eventuell maximal drei Arbeiten. Kein Wunder also, wenn sie zur Abschlussarbeit etwas verloren wirken. Mal schauen, was da noch alles so kommt. Wieso kann eigentlich keiner mal über etwas interessantes, wie deutsche Geschichte schreiben? Na gut, träumen darf ich ja noch einmal.